Belgarath der Zauberer
man, eine Stadt vor sich zu haben, die von einer Stadtmauer umgeben ist, aber das täuscht, denn innerhalb der Mauer gibt es keine Gebäude. Die Algarer, die hier leben, haben sich Räume, Säle und Gänge in den Mauern selbst eingerichtet. Der offene Hatz, den die Mauern umgeben, ist ein unentwirrbares Labyrinth.
Doch es hatte sich eine Tragödie ereignet einer dieser dummen Unfälle, die von Zeit zu Zeit geschehen. Garel, der Erbe des rivanischen Throns, war geritten, und sein Pferd stolperte; Eisenfausts Erbe brach sich den Hals, als er auf dem Boden aufschlug. Torheit! Was, im Namen der sieben Götter, hatte er auf einem Pferd verloren?
Glücklicherweise hatte er bereits die Erbfolge gesichert. Gelane war zwar erst fünf Jahre alt aber das spielte keine Rolle; jeder wird einmal erwachsen.
Ich sprach mit dem Jungen und fand, daß er äußerst vernünftig war, wie all die anderen. In dieser Hinsicht hatten wir viel Glück. Wäre Dummheit ein Charaktermerkmal des rivanischen Geschlechts gewesen, hätten wir vor großen Problemen gestanden.
»Kann ich denn nicht irgend etwas tun, Großvater?« fragte mich der ernste kleine Junge. »Das ist schließlich meine Aufgabe.« Das erstaunte mich.
»Was hast du ihm erzählt, Pol?« fragte ich mißtrauisch.
»Alles, Väter«, erwiderte sie ruhig. »Er hat ein Recht, alles zu erfahren.«
»Er braucht diese Information nicht Pol. Ich dachte, wir hätten uns darauf geeinigt.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich habe meine Meinung geändert. Er ist der rivanische König, Vater. Wenn all unsere sorgfältig ausgearbeiteten Pläne scheitern sollten, muß er das Schwert haben.
»Er ist noch ein Kind, Pol. Er könnte dieses Schwert nicht einmal hochheben.«
»Wir haben Zeit Vater. Torak hat mit der Belagerung noch nicht einmal begonnen.«
»Der Mrin-Text besagt daß Brand Torak gegenübertreten wird. Gelane soll sich nicht einmischen.«
»Die Prophezeiung drückt sich nicht deutlich aus, Vater, und manchmal ändern sich die Dinge. Ich möchte auf alles vorbereitet sein.«
»Ich glaube, ich kann schon damit fertig werden, Großvater«, versicherte Gelane mir. »Ich habe einen algarischen Freund, der mir zeigt wie man mit einem Schwert umgeht.«
Ich seufzte; dann vergrub ich eine Zeitlang das Gesicht in den Händen.
Es gab nicht viel zu tun in der Feste, außer auf Torak zu warten. Ich vermute, daß Pol und ich getrost hätten fortgehen können, doch ich wollte ganz sichergehen, daß Einauge seine Meinung nicht änderte. Die Invasion in Drasnien hatte mich völlig überrumpelt, und es gelüstete mich nach keiner Wiederholung dieser Geschehnisse. Ich wollte dafür sorgen, daß er sich festgelegt hatte, ehe ich ging und ihn sich selbst überließ. Außerdem wollte ich beobachten, wie die Verteidiger die ersten Angreifer vernichteten, um mich zu vergewissern, daß sie auch wußten, was sie taten.
In den darauffolgenden Wochen kamen oft Reiter aus den nomadisierenden Klans, um uns auf dem laufenden zu halten. Torak war noch immer auf dem Weg hierher, und es sah nicht so aus, als würde er einen anderen Weg einschlagen.
Eines frühen Morgens, als der Tagesanbruch den Regen silbern färbte, weckte Polgaras Stimme mich aus meinem unruhigen Schlaf. »Ich glaube, du solltest lieber hierherkommen, Vater.«
»Wo bist du?«
»Ich kann dich nicht verstehen, Vater. Komm auf den Wehrgang auf der Nordmauer. Du solltest dir mal etwas ansehen.«
Ich murrte zwar, kroch aber aus dem Bett und zog mich an. Was wollte sie denn nun? Die Tatsache, daß sie mich nicht verstehen konnte, deutete darauf hin, daß sie ihre Gestalt gewandelt hatte. Ich ging durch den von Fackeln erleuchteten Gang vor meinem Zimmer und stieg die endlosen Stufen hinauf, die zur Spitze der Festung führten.
Auf den regennassen Zinnen saß eine Schnee-Eule.
»Ich hatte dich gebeten, das nicht zu tun, Pol«, erinnerte ich sie.
Sie verschwamm und nahm wieder ihre eigene Gestalt an. »Es tut mir leid, Vater«, sagte sie. »Ich tue das nicht, um dir Kummer zu bereiten. Ich halte mich nur an meine Anweisungen. Du solltest dir das lieber anschauen«, sagte sie und wies mit der Hand nach Norden.
Ich sah über die Zinnen hinweg. Die Wolken über uns waren grau und fleckig vom Licht des neuen Tages. Der Regen hatte ein wenig nachgelassen; deshalb starrten wir nicht auf den dichten Vorhang, wie in den vergangenen Wochen. Zuerst konnte ich nichts ausmachen; dann aber entdeckte ich eine Bewegung etwa eine Meile entfernt auf
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