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Belsazars Ende

Titel: Belsazars Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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den Mund.
    »Irgendeiner von den Reportern muß Wind von der Sache gekriegt haben. Die sind ja nicht auf den Kopf gefallen«, meinte van Appeldorn. »Aber wenn du mich fragst, ich habe gar nichts dagegen. Paß mal auf: Meine schöne Dienstreise ist ein totaler Flop. Das Mädchen hab’ ich nicht zu Gesicht gekriegt. Als ich gestern hier ankam, lag die junge Dame im Krankenzimmer, und der Arzt ließ mich nicht zu ihr. Nervenzusammenbruch.«
    »So, so, Nervenzusammenbruch. Und warum?«
    »Entwicklungsbedingte Kreislaufschwäche, sensibel, überarbeitet, dem Leistungsdruck nicht gewachsen – blabla. Heute morgen bin ich sofort wieder hin. Und jetzt rate mal!«
    »Keine Ahnung. Ist sie gestorben?«
    »Das nun nicht gerade. Ihre Eltern haben sie mit Sack und Pack abgeholt und sind mit ihr in einen Kurzurlaub gefahren, zwecks Genesung. Ziel: unbekannt.«
    »Hört sich nach Panik an.«
    »Sicher. Denen geht der Arsch auf Grundeis. Aber ich komme noch heute zurück. Und ab morgen stehe ich regelmäßig bei denen auf der Matte. Irgendwann tauchen die schon wieder auf. Ich melde mich, wenn ich wieder in Kleve bin.«

    Salmon Rosenberg war ein pünktlicher Mensch. Er selbst empfand das nicht als besondere Tugend, es war einfach ein Teil von ihm. So selbstverständlich wie sein tägliches frisches Hemd, cremefarben oder grau mit englischem Kragen, wie das allabendliche Putzen seiner Brillengläser, bevor er sie auf dem Nachttisch ablegte.
    Um Schlag zehn öffnete er die Tür zu Toppes Büro.
    Er entsprach dem Bild, das Toppe sich von ihm gemacht hatte, fast zu genau: ein feiner, älterer Herr in Anzug und Weste, dunkelblauem Cashmeremantel und Hut. Seine Stimme war eher leise, seine Gesten klein, aber all das zusammengenommen war von einer verblüffenden Eindringlichkeit.
    Toppe begrüßte ihn, nahm ihm Hut und Mantel ab, bot ihm einen Platz an und staunte über Ackermann. Der erhob sich nämlich von seinem Stuhl, stellte sich – hochdeutsch – vor, verzog sich dann ganz hinten an Breiteneggers Schreibtisch und sagte fortan kein Wort mehr.
    Toppe stellte den Cassettenrecorder auf den Tisch.
    »Ich hoffe, Sie sind einverstanden, wenn ich unser Gespräch auf Band aufnehme. Es erleichtert hinterher das Berichteschreiben.«
    »Ja, ich bin einverstanden. Warum nicht?«
    »Prima. Ich möchte Ihnen erst mal erklären, wie wir überhaupt auf Sie gekommen sind.«
    Er gab Rosenberg eine Kopie des Lageplans mit der Adresse am Rand. »Dies haben wir in van Veldens Atelier gefunden.«
    Rosenberg sah sich den Plan gründlich an und nickte dann. »Ich habe diese Zeichnung zwar niemals gesehen, aber ich kann mir vorstellen, was es sein soll.«
    Toppe schaute ihn nur fragend an.
    »Die Katakomben«, sagte Rosenberg mit einem kleinen Fragezeichen in der Stimme. »Eine alte Geschichte. Der Vater von Roderik van Velden hat meiner Familie zur Flucht aus Nazideutschland verholfen. Sie wissen davon?« deutete er Toppes Gesichtsausdruck richtig.
    »Leider viel zu wenig«, antwortete Toppe und sah auf die Zeichnung.
    »Die Katakomben«, nickte Rosenbetg, »ein Wort, das mein Vater dafür gefunden hat, viel später. Es war so: Antonius van Velden hat uns eines Nachts mit seinem Lastwagen abgeholt. Aber er brachte uns nicht sofort über die Grenze, sondern versteckte uns erst einige Zeit in diesen Gewölben.«
    »Kannten Sie die Gewölbe?«
    »Nein. Ich habe noch immer keine Vorstellung, was oder wo das ist. Es könnte ein feuchter Keller gewesen sein, aber ich erinnere mich, daß wir über Erde und Gras gelaufen sind und daß es Bäume und Büsche gab, aber kein Haus, glaube ich.«
    »Wir haben eine Vermutung, wo diese Gewölbe sein könnten.«
    »Oh ja? Werden Sie es mir sagen?«
    »Natürlich. Wir glauben, daß es sich um die alten Stollen der Heilquelle am Amphitheater handelt.«
    Rosenbergs Gesicht blieb ausdruckslos.
    »Unten am Forstgarten«, sagte Toppe.
    »Ja!« antwortete Rosenberg, aber er schien noch immer nach einer Erinnerung zu suchen.
    »Woher wußte Roderik van Velden von diesen Stollen?«
    »Von mir, denke ich«, antwortete Rosenberg. »Ich sollte das erläutern. Man hatte mich 1988 in Ihre Stadt eingeladen, an einer Mahnstunde teilzunehmen für das erste große Pogrom. Ich war nicht sicher, ob ich kommen sollte, aber ich bin doch gekommen.« Er sprach langsam, so als suche er nach den richtigen Worten. »Es war eine absurde Situation: da kamen plötzlich meine Erinnerungen und trafen zusammen mit dieser Pseudorealität, verstehen

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