Beraten, Trainieren, Coachen
Denken Sie nur an die saubere Auftragsklärung und die anschließende Trainingskonzeption. Auch Ihre intellektuelle Lebendigkeit und Vielseitigkeit während des Trainings profitiert natürlich von einem hinreichend ausgeprägten Analysevermögen.
Fähigkeit 2: Empathie und soziale Wahrnehmung
Empathie ist die Fähigkeit, sich in die Lage des einzelnen Teilnehmers hineinzuversetzen, seine Sichtweisen und sein Verhalten zu verstehen und das eigene Verhalten entsprechend anzupassen. Mit sozialer Wahrnehmung eines Trainers beschreiben wir seine Fähigkeit, soziale Interaktionen, Beziehungen und Rollen in der Gruppe binnen kurzer Zeit wahrzunehmen und in all ihrer Komplexität richtig zu interpretieren. Als Trainer müssen Sie sich häufig in die Haut Ihrer Teilnehmer versetzen: Wie sind bestimmte Reaktionen im Hinblick auf die Einstellung des Einzelnen zu interpretieren? Welche Rolle spielt möglicherweise die Gruppendynamik im Trainingskontext?
Beispiel: Empathie für verschlossene Führungskräfte
Vor einigen Jahren trainierten wir eine Gruppe von Topführungskräften einer Organisation, die sehr verschlossen, abwartend und streckenweise ablehnend im Training saßen. Versuchen Sie einmal, sich zwölf Führungskräfte vorzustellen, die alle Motorradhelme mit geschlossenen, verspiegelten Visieren tragen. So ungefähr haben wir uns gefühlt: keine Reaktionen auf Fragen, kein Nachfragen, keine Diskussionen, keine eigene Meinung, kaum Mimik … nur Schweigen und dann und wann ein destruktiver Kommentar z. B.: „Erzählen Sie mir doch mal was Neues! Ich führe meine Mannschaft seit 25 Jahren!“
Was ist in dieser Situation zu tun?
Wir waren zunächst ratlos, testeten dann aber Folgendes: Wir teilten die Gruppe und ließen sie in verschiedenen Kleingruppen weiterarbeiten. Die Hypothese ging auf: Dort arbeiteten sie in kollegialen Fallberatungen (siehe Kapitel 3.3) ausgesprochen konstruktiv zusammen, im großen Kreis zeigte sich dann wieder das zuvor beschriebene Phänomen. Es wurde klar, dass nicht etwa das Konzept nicht funktionierte oder die Trainer unfähig waren, sondern dass es eine Reihe äußerst schwieriger persönlicher Konstellationen und Historien innerhalb des Teilnehmerkreises gab, die eine offene, vertrauensvolle Zusammenarbeit massiv erschwerten. Wir passten unser Konzept entsprechend an und beschränkten uns im Plenum auf reine Wissensvermittlung, um dann in kleineren, vertraulicheren Runden die Themen zu diskutieren und zu bearbeiten.
Fähigkeit 3: Grundhaltung als Trainer
Die Grundhaltung eines Trainers beschreiben wir stark vereinfacht als die innere Einstellung eines Trainers zu seinem Stoff, seiner Methodik und insbesondere zu seinen Teilnehmern. Eine hilfreiche Trainergrundhaltung speist sich unter anderem aus Partnerschaftlichkeit, Respekt, Neugier, Selbstbewusstsein, der Fähigkeit zur Reflexion und eigener Trainererfahrung. Klaus Wolf Döring zählt zu der Grundhaltung des Trainers außerdem dessen geistig-seelische Energie und Frische (Döring, 2008). Gerade der letzte Aspekt ist natürlich schwer steuerbar. An dieser Stelle wird deutlich, wie wichtig es als Trainer ist, gut mit seinen individuellen Energiereserven hauszuhalten, wie wir es in Kapitel 2, im Abschnitt „Alltagskompetenzen für HR-Berater“ bereits beschrieben haben.
Letztlich beschreibt die Grundhaltung das Selbstverständnis eines Trainers, welches sich dann wiederum im Umgang mit der Gruppendynamik, aber auch in scheinbar so banalen Dingen wie Serviceorientierung spiegelt. Ausführlicher beschreiben wir das Thema Grundhaltung in Kapitel 4.3.
Beispiel: Die Fachkräfte verweigern die Mitarbeit
Einer der Autoren sollte als junger Trainer eine Gruppe von Fachkräften während eines laufenden Umstrukturierungsprozesses zum Thema Zeitmanagement trainieren. Bereits im Laufe des ersten Vormittags wurde an verschiedenen Stellen spürbar, dass ein Teil der Gruppe nicht im Geringsten vorhatte, dieses Thema zu bearbeiten. Nach der Mittagspause schlug die Stimmung dann bei allen in offenen Widerstand um: „Mal ehrlich! Was sollen wir mit den dämlichen Zeitmanagementinstrumenten, wenn in unserem Unternehmen intern kein Stein auf dem anderen bleibt?! Ist das eine Ablenkungsmasche unseres Geschäftsführers?“
Wie wären Sie mit der Situation umgegangen?
Je nach Grundhaltung könnten Sie der Gruppe nun als Trainer zum Beispiel zustimmen und sich dafür entschuldigen, dass Sie mit diesem Thema vor ihr stehen und darauf pochen, dass
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