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Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers

Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers

Titel: Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: BLV Buchverlag GmbH & Co. KG
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Minimierung von Ausrüstung und Helfern das erhöhte Risiko. Schlechtwetterperioden am Nanga Parbat können auch zwei Wochen lang andauern. Mit den Schneefällen nimmt die Lawinengefahr unterhalb meines Standorts beängstigend zu.
    Das Weglassprinzip widerspricht dem Sicherheitsdenken. Ein auf die Spitze getriebener Grenzgang ist zwar fairer, sauberer, schneller und in einigen Punkten auch sicherer (kein Zeitverlust durch gemeinsame Entschlussfindung; Schnelligkeit ist auch Sicherheit), für den einen Akteur aber gefährlicher. Bei Wetterstürzen, Krankheit oder Fehlern kann eine Korrektur oder ein Ausweichen problematisch, wenn nicht unmöglich sein. Drittes Biwak auf 7400 Metern.
    11.8.1978
    Ich nütze eine kurze Sturmpause und Löcher im Gewölk (von oben als Nebelfetzen zu erkennen), um mich zu orientieren. Entschluss zum fluchtartigen Abstieg.
    Eiligst wird gepackt. Über eine gigantische Rinne links (orografisch) der Mummery-rippe steige ich ab. Blankeis. (Der nie zuvor begangene oder versuchte Weg ist sehr gefährlich. Er ist aber lawinensicher, weil der Schnee hier sukzessive abrutscht.) Der Abstieg (3000 Höhenmeter) gelingt mir in wenigen Stunden (hohe Eisschlaggefahr!). Mit steigender Geschwindigkeit des Kletterers nimmt in den von Natur aus gefährlichen Zonen wie am Nanga Parbat die Gefahr zwar ab, ausgeschaltet aber wird sie nie. Mit diesem Alleingang (neue, gefährliche Route, keine wesentlichen technologischen Hilfen, keine Vorarbeit) bin ich meinem Ideal vom futuristischen Grenzgang am Berg am nächsten gekommen. Weil die Gefahr größer war als die Schwierigkeit.
    Mit 20 oder 25 Jahren lässt sich jeder auf ein Abenteuer ein, das ihm über den Kopf wächst. Wer hat nicht wenigstens einmal im Leben das alleräußerste Risiko auf sich genommen? Älter werden aber heißt unter anderem auch schwächer, vorsichtiger werden. Trotzdem ein großes Wagnis einzugehen heißt, alle Erfahrung in die Waagschale zu werfen. Vor allem Erfahrung, Instinkte, Wissen haben den Wunsch, bestätigt zu sein. Wer einen alten Weg erstmals alleine geht, praktiziert einen neuen Stil. Ein neuer Weg im Alleingang ist ein Doppelschritt. Ein gefährlicherWeg im Alleingang ist das Nonplusultra.
    Zufrieden jetzt? Nein. Immer noch der Anspruch, einen Schritt weiter zu gehen. Mein Bemühen nach Spitzenleistungen (excellent activities) ist nicht befriedigbar. Mehr oder weniger hoch, weit, schnell ist dabei nicht so wichtig. Das Was und Wie zählen.

»Ein Berggipfel ist so attraktiv, dass nicht für ihn geworben werden muss.«
    Planung und Ausführung
    M it der Potenz zur Sinnstiftung allein ist es wie mit der Liebe im leeren .Raum. Die Umsetzung ist ebenso wichtig. Und schwierig. Wenn ich für meine bescheidenen Erfahrungen zu Fragen der Planung und Ausführung einen Alleingang als Beispiel gewählt habe, dann nicht deshalb, weil er besonders schwierig zu planen wäre; nein, ich wollte damit andeuten, dass die Fähigkeit zum Alleingang weit mehr voraussetzt als Perfektion in Planung und Ausführung.
    Neben der entsprechenden Idee und Motivation brauche ich zuerst die Fähigkeit, alleine zu leben, alleine zu sein. Die Einsamkeit ist eines der zentralen Probleme des Menschen, das zwischen dem Hochgefühl der Unabhängigkeit und dem Gespenst des Alleingelassenseins bei Grenzgängen besonders akut werden kann. Alleinsein und Einsamkeit sind nicht ein und dasselbe. Alleinsein löst – je nachdem, ob es freiwillig oder gezwungenermaßen erlebt wird – gegensätzliche Gefühle aus. Einsamsein ist immer auch begleitet von einem Gefühl des Verlassenseins, Verlorenseins. Diese Verloren- und Verlassenheit führt rasch in das Dunkel der Sinnlosigkeit, in der die Zeit stillsteht. Um eine Idee in die Tat umsetzen zu können, ist das Gegenteil Grundvoraussetzung: eine positive Endlosigkeit, Hoffnung, Sinnhaftigkeit. Tatenlust ist meist die Folge.
    Viele haben gute Ideen, aber nur wenige die Fähigkeiten, diese umzusetzen. Das erlebe ich immer wieder, und nicht nur in der kleinen Schar der Grenzgänger.
    Bei meinen Touren waren Ausrüstungs – und Kostenminimierung vielfach auch wesentliche Ideenauslöser. Die Idee lag darin, Planung und Realisation zu erleichtern, was in erster Linie durch Gewichtsersparnis zu erreichen war. Einige meiner bahnbrechend neuen Bergbesteigungen habe ich als Minimumrechnungen angefangen: Mit

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