Berlin Gothic 4: Der Versteckte Wille
Ereignisse dieser Art. Ja?“
„Mein Gott … “
„Wie bitte?“
„Mein Gott, was ist nur los?“
3
„Es ist ein verdammtes Chaos, ich weiß. Aber wenn ich meinen Kaffee nicht kriege, kann ich nicht klar denken!“ Felix hat Lisa den Rücken zugewendet und ist dabei, am Herd zwei Milchcafés zuzubereiten.
„Hast du Henning erreicht?“
„Sie waren grad beim Frühstück, er wollte gleich in die Firma. Betty geht’s gut, mach dir keine Sorgen.“
Lisa zerbröselt das Brötchen, das auf ihrem Teller liegt. Hunger hat sie nicht.
„Es wird sicher heute im Lauf des Tages geklärt werden.“ Felix tritt mit den beiden Kaffeeschalen an den Tisch. Sie haben beschlossen, gleich in der Küche zu frühstücken, das geht am schnellsten.
„Ich verstehe einfach nicht, wieso es in den Nachrichten nicht genauere Auskünfte darüber gibt.“
„Ein ganzes Haus … die wissen es auch nicht, Lisa. Das kann die verschiedensten Ursachen haben … “ Felix setzt sich, reicht ihr eine Schale über den Tisch und beginnt auch schon, von der eigenen zu trinken.
Lisa kostet ihren Kaffee. Heiß rinnt das Getränk durch ihre Kehle und sie spürt, wie sich das Koffein ausbreitet.
„Weißt du … jetzt, seit der Beerdigung … “
Lisa sieht auf. Felix schaut zu ihr, sein Gesicht wirkt seltsam offen, geradezu empfindlich. Er stellt seine Schale vor sich ab. „ … wo alles wieder ein wenig aufgebrochen ist … Es gibt da etwas, das ich gern mit dir besprechen möchte - schon länger besprechen wollte.“
„Jetzt?“
„Ja, jetzt.“
Lisa stellt ihre Schale ebenfalls ab, zieht die weiche Wolljacke, die sie übergeworfen hat, vorn zusammen. Sie will jetzt nichts mit ihm besprechen - nicht, bevor sie Till nicht getroffen hat. Und doch weiß Lisa nicht, wie sie Felix ausweichen soll.
„Es geht um deinen Vater, weißt du.“
Lisa kann gar nichts dagegen machen - die Erwähnung ihres Vaters schmerzt sie, als ob sie sich einen Splitter einreißen würde.
„Jetzt, wo auch Till nochmal zu Besuch ist … ich habe das Gefühl, es ist höchste Zeit, es dir zu sagen.“
„Was denn?“ Unwillig fegt Lisa die Brotkrumen von ihrem Teller.
Felix sieht sie prüfend an. „Als ich deinen Vater damals kennengelernt habe … vor über fünfzehn Jahren … du warst da noch ein Kind, acht Jahre alt oder so etwas … “
„Ja?“
„Ich war zu der Zeit auf der Suche nach einem Stoff, auf den ich das Projekt gründen könnte, an dem wir noch heute arbeiten, weißt du?“
Vage sieht Lisa ihren Vater vor sich, den sie nie aufgehört hat, zu vermissen - als würde eine Art Zwinge in ihrer Brust nie aufgehört haben, sie zu kneifen.
„Ich hatte damals schon verschiedene Autoren getroffen“, hört sie Felix fortfahren, „die unterschiedlichsten Texte gelesen. Es war viel Gutes darunter, wackere Einfälle, wenn du so willst, raffinierte Konstruktionen … aber all das hat mich nicht wirklich überzeugen können. Es erschien mir einfach nicht tragfähig genug, um darauf … also kurz gesagt, mein Projekt zu gründen. Bis ich einen Text deines Vaters las.“
Felix hat ebenfalls von dem Frühstück nichts angerührt und stützt jetzt die Ellbogen rechts und links von seinem Teller auf. „Dieser Text hat mich getroffen wie ein Blitz.“ Seine Augen ruhen auf ihr. „Und weißt du, warum?“
Lisa muss gegen die Tränen ankämpfen. Sie fühlt, wie ihr ganzes Gesicht bitzelt, ein Säuseln beinahe, das sie ganz ausfüllt und in die Winkel ihrer Augen zu drängen scheint. Was ist nur los mit ihr? Die Beerdigung gestern, Tills Anwesenheit in Berlin - sie hat das Gefühl, eine Pause zu brauchen, endlich einmal unbeschwert Luft holen zu müssen - stattdessen redet Felix immer weiter auf sie ein.
„Es war wie ein schönes Lied, kannst du dir das vorstellen? Wenn du ein Lied hörst und denken musst: Derjenige, der das singt, ob nun ein Mann oder eine Frau … auch er wird sterben. Du hörst es dem Lied, dem Gesang richtig an: Die Stimme, die dort singt, ist dem Tode geweiht.“
Lisa hat den Kopf aufgestützt und ein wenig gesenkt, sie sieht, wie ihre Tränen auf den Teller unter ihr fallen. Das Bitzeln und Säuseln ist einfach über sie hinausgestiegen und jetzt läuft es aus ihr heraus. Sie weint - und ihre Tränen tropfen herunter.
„Ich wusste sofort, dass kein anderer von den Autoren, die ich gelesen hatte, in der Lage sein würde, etwas Vergleichbares zu schaffen. Dass dein Vater derjenige war, der den Grundstein zu meinem
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