Bestien
Bestimmtes suchten, aber nichtsdestoweniger alles aufzeichneten, was ihnen vor die Objektive kam.
Charlotte LaConners Worte am Telefon hatten Sharon
gründlich verstört und wollten ihr noch immer nicht aus dem
Sinn: »Sie wollen mich wegschicken. Sie haben etwas
Schreckliches mit Jeff gemacht und wollen nicht, daß ich es
herausbringe.«
Hatte sie Tarrentech gemeint, oder hatte sie die
Sportmedizinische Klinik gemeint?
Sharon hatte die Worte in ihren Gedanken um und um
gewendet, von allen Seiten betrachtet und war endlich zu dem
Schluß gelangt, daß es nicht genau darauf ankomme, was
Charlotte gemeint hatte, denn es war gewiß, daß die
Sportmedizinische Klinik und das Sportzentrum ebenso wie
nahezu alles in Silverdale in ihrer Existenz völlig von
Tarrentech abhingen. Eine Einrichtung wie die, welche Dr.
Ames leitete, konnte unmöglich von den Gebühren überleben,
die von den Teilnehmern an den sommerlichen Trainingslagern
und von der Schule für die Betreuung der Footballmannschaft
entrichtet wurden.
Sharon straffte unwillkürlich ihre Haltung, stieß die Glastür
auf und ging an den Informationsschalter, wo sie von einer
lächelnden Empfangsdame begrüßt wurde
»Kann ich Ihnen helfen, Mrs. Tanner?«
Sharon runzelte die Brauen, hielt Ausschau nach dem
Namensschild, das alle Tarrentech-Angestellten an der linken
Brustseite trugen.
Dieses Mädchen trug keines.
Sein Lächeln wurde breiter, als es Sharons Dilemma
erkannte. »Ich bin Sandy Davis«, sagte sie, »und Sie, Sie
kennen mich nicht. Das Sicherheitssystem führte einen Fotovergleich von Ihnen durch, so daß ich wußte, wer Sie sind,
bevor Sie das Gebäude betraten.«
Sharon war unangenehm berührt. Ein Fotovergleich von ihr? Warum? Und wie? Sie hatte dem Unternehmen nie ein
Bild von sich überlassen – es hatte sie nie dazu aufgefordert.
Aber die Antwort lag auf der Hand: Die Überwachungskameras in San Marcos hatten ihr Kommen und Gehen aufgezeichnet, und so waren Bilder von ihr zweifellos mit Blakes
Personalakte nach Silverdale gesandt worden. Trotzdem hatte
die Sache etwas Unheimliches an sich, wenn sie sich vorstellte,
daß man sie noch vor dem Betreten des Gebäudes fotografiert
und identifiziert hatte. Sie erwiderte Sandy Davis’ Lächeln und
hoffte, daß ihr die Nervosität nicht anzumerken war.
»Wenn Sie mir bloß sagen würden, wo das Büro meines
Mannes ist?«
»Den Korridor nach links, dann rechts bis zum Ende des
Korridors, nicht weit von Mr. Harris’ Büro.«
Sharon bedankte sich und ging durch den langen Korridor,
aber nun, da sie im Gebäude war, verstärkte sich das seltsame
Gefühl, beobachtet zu werden. Ihre Nackenhaut prickelte, sie
beschleunigte instinktiv den Schritt und mußte sich ermahnen,
daß sie den Anschein erweckte, es sei alles in bester Ordnung.
Als sie sich Blakes Büro näherte, ging sie wieder in normalem
Schritttempo. Im Vorzimmer wurde sie von seiner Sekretärin –
einer weiteren Frau, die Sharon nie gesehen hatte – mit einem
warmen Lächeln begrüßt, das eine beinahe genaue Kopie von
Sandy Davis’ Lächeln war. »Er telefoniert gerade, aber ich
habe ihm eine Nachricht zugesteckt, daß Sie hier sind«, sagte
sie, nachdem sie sich mit festem Händedruck vorgestellt hatte.
»Möchten Sie eine Tasse Kaffee?«
Sharon verneinte dankend; im nächsten Augenblick ging die
innere Tür auf, und Blake kam heraus. »Das ist eine angenehme Überraschung«, sagte er lächelnd. »Was tust du hier
draußen?«
Sharon sagte, was sie sich zurechtgelegt hatte. »Ich wollte
einkaufen, und die Liste war zu lang für meinen Einkaufskarren, deshalb wollte ich den Wagen.« Dann blickte sie aus
den Augenwinkeln zur Sekretärin und fügte hinzu: »Können
wir hineingehen?«
Blake machte ein erstauntes Gesicht, nickte aber und hielt
ihr die Tür auf. Sharon selbst schloß sie, als sie beide in seinem
Büro waren. Er legte den Kopf auf die Seite. »Was gibt es, daß
Ellen es nicht hören soll?«
»Es handelt sich um Charlotte LaConner«, sagte sie mit
gedämpfter Stimme; sorgfältig bemüht, ihre aufgewühlten
Emotionen nicht durchscheinen zu lassen, erzählte sie Blake,
was geschehen war. Als sie geendet hatte, sah er sie verwirrt
und mit einer Spur von Ungeduld an.
»Du bist den ganzen Weg hierhergekommen, mir das zu
erzählen?« fragte er. »Daß Charlotte einen Nervenzusammenbruch hatte? Schatz, das sahen wir beide schon am letzten
Samstag kommen.«
»Das ist es nicht allein. Es geht darum, was sie sagte. Daß
›sie‹ etwas mit
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