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Bestien

Bestien

Titel: Bestien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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der Düse, und wie Harris
vorausgesagt hatte, ließ der größere Affe, noch immer vor Wut
kreischend, den Leichnam seines Opfers fallen. Der
Wasserstrahl warf ihn rückwärts gegen die Käfigwand.
Einer der Wärter betrat den Käfig durch eine Seitentür, faßte
den vom Wasserstrahl geblendeten Affen mit geschicktem
Griff und verabreichte ihm eine Beruhigungsspritze. Drei
Sekunden später lag der größere Affe bewußtlos am Boden.
»Mein Gott«, murmelte Blake, als es vorbei war. »Was ist in
das Tier gefahren? Es muß wahnsinnig geworden sein.«
Auch Harris schien um seine Fassung zu ringen. Als der
Wärter die Körper der zwei Affen aus dem Käfig trug und
seine Kollegen den Gartenschlauch aufrollten, nahm Harris
seinen Freund beim Arm und zog ihn mit sich zur Tür.
»Es kommt gelegentlich vor«, sagte er mit unsicherer
Stimme. »Ein Tier, das in einem Käfig gehalten wird, dreht
manchmal durch. Es kann jahrelang völlig normal wirken, aber
dann wird es plötzlich wild.« Er warf Blake einen Seitenblick
zu. »Hast du noch nie Großkatzen beobachtet, wie sie in ihren
engen Zookäfigen unaufhörlich hin und her tappen? Nun, ich
glaube nicht, daß sie sich bloß Bewegung verschaffen. Wenn
du mich fragst, sind sie durch die Gefangenschaft völlig
psychotisch geworden. Der Tod wäre eine Erlösung für sie.«
Schweigend kehrten sie zurück in Jerry Harris’ Büro. Als sie
sich gesetzt hatten, sagte Blake: »Wenn du so empfindest, wie
kannst du dann das Wissen ertragen, daß jedes dieser Tiere in
unseren Laboratorien sterben wird?«
»Es ist mein Job«, sagte Harris mit einer Spur von Bitterkeit
in der Stimme. »Und ich sage mir, daß die Forschung, die wir
leisten, und die Leben, die wir dadurch vielleicht eines Tages
retten können, rechtfertigen, was wir den Tieren antun.«
Blake dachte darüber nach, dann nickte er zögernd. »Und
was tue ich hier draußen?« stellte er endlich die Frage, die ihn
längst bewegte. »Nach allem, was ich gesehen habe, brauchst
du hier keinen Marketing-Mann.«
Anscheinend erleichtert über den Themenwechsel, nahm
Jerry Harris einen Schnellhefter aus einem Seitenfach und
schob ihn über den Schreibtisch Blake hin. »Du wirst eine
Menge zu tun bekommen«, sagte er. »Du wirst dich mit allen
Facetten unserer Arbeit hier vertraut machen, und selbst wenn
du die Technologie nicht verstehst – ich verstehe sie selbst
nicht –, wirst du wenigstens wissen, was wir tun, in welche
Richtungen unsere Forschungen gehen, und wie weit wir mit
unseren Entwicklungen sind. Du bist im Umgang mit
Menschen immer gut gewesen, Blake, und ob du mir darin
zustimmst oder nicht, der Umgang mit Menschen ist das A und
O des Marketing. Den Leuten zu zeigen, warum sie brauchen,
was du hast. Hier draußen wirst du natürlich auch eine Menge
Public Relations übernehmen. Und du kannst damit anfangen.«
Harris nickte zur Schnellheftermappe, und Blake nahm sie vom
Schreibtisch. Er schlug sie neugierig auf und fand zu seiner
Überraschung, daß sie ein Krankenblatt und mehrere Seiten
diagnostischer Untersuchungsberichte enthielt.
Es war die Krankenakte von Ricardo Ramirez.
Blake blickte fragend zu Jerry Harris auf.
»Tarrentech wird alle medizinischen Behandlungskosten für
diesen Jungen übernehmen«, sagte Harris. »Was immer er
brauchen mag
– Chirurgen, Spezialbehandlungen, Physiotherapie, was getan werden kann.«
Blake glaubte zu verstehen; er lächelte zynisch. »Ausgehend
von der Überlegung, daß es nicht mehr kosten kann als ein
Gerichtsverfahren«, bemerkte er. Doch Harris schüttelte zu
seiner Überraschung den Kopf.
»Es wird kein Gerichtsverfahren geben«, sagte er. »Keine
Begründung. Es war eindeutig ein Unfall.« Er lehnte sich
zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Wir sind
hier in einer einzigartigen Lage, Blake«, sagte er. »Als wir
kamen, war Silverdale ein winziges Nest. Tarrentech siedelte
sich an und veränderte alles von Grund auf. Man kann sagen,
daß wir die Stadt neu errichteten, bis hin zu den Schulen und
der Bücherei. Anfangs gab es einige Gegnerschaft, aber wir
baten die Menschen, die hier lebten, uns zu vertrauen, und sie
taten es. Und wir haben dieses Vertrauen nicht enttäuscht.« Er
zeigte auf die Krankenakte in Blakes Hand. »Juristisch ist
niemand in Silverdale dafür verantwortlich, was diesem Jungen
zugestoßen ist. Aber damit ist ihm nicht geholfen, nicht wahr?«
Blake rückte auf seinem Sitz. Sein zuvor gezeigter
Zynismus war ihm auf einmal peinlich.

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