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Bestien

Bestien

Titel: Bestien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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Himmel und zeigte
auf den Telefonhörer, den sie ans Ohr hielt. Während Charlotte
wartete, öffnete Anne mehrmals den Mund, um etwas zu sagen,
und schloß ihn wieder, da die Person am anderen Ende
offenbar ohne Unterbrechung weitersprach. Zuletzt legte Anne
mit überdrüssiger Miene auf und öffnete das in die
Trennscheibe eingelassene Schiebefenster. »Charlotte! Was
bringt Sie hierher?« Besorgnis spiegelte sich in ihren Zügen.
»Sie sind doch nicht krank, oder?«
Charlotte schüttelte den Kopf. »Ich … nun ja, ich wollte
mich erkundigen, wie es dem Jungen aus Fairfield geht.
Ramirez.«
»Nicht gut, fürchte ich«, sagte Anne. »Er liegt in Zimmer
drei der Intensivstation.« Sie zögerte, dann lächelte sie
Charlotte in verständnisvoller Einschätzung ihrer Bedrängnis
zu und sagte: »Es ist gegen die Bestimmungen, aber werfen Sie
einen Blick hinein, wenn Sie wollen.«
Charlottes Schritt verlangsamte sich, als sie durch den
Korridor ging, und vor der halboffenen Tür mit der Ziffer 3
blieb sie ganz stehen. Endlich faßte sie sich ein Herz, schob die
Tür weiter auf und trat ein. Im Krankenzimmer standen zwei
Betten, aber nur eines war belegt. Unter einer leichten Decke,
den Kopf in einer Metallklammer unbeweglich gehalten, mit
geschlossenen Augen, hatte Rick Ramirez eine seltsame Stille
an sich, die Charlotte sofort sagte, daß er nicht bloß schlief. Sie
trat näher, stand neben dem Bett und blickte in das Gesicht des
Jungen. Eine schwarze Haarlocke lag über einem Auge, und
Charlotte streckte instinktiv die Hand aus, sie zurückzustreichen.
»Rühren Sie ihn nicht an«, sagte eine leise, aber
entschiedene Stimme neben ihr.
Charlotte schrak zusammen, wandte sich um und sah eine
hübsche junge Frau, nicht älter als Anfang Dreißig, aus dem
Bad kommen, das dieses Krankenzimmer mit dem nächsten
verband. Sie kam zum Bett, und Charlotte trat zurück. Die Frau
strich dem Jungen leicht über die Wange, schob ihm die
Haarlocke aus der Stirn und blickte aus dunklen Augen zu
Charlotte auf. »Wer sind Sie?«
»Charlotte LaConner«, antwortete sie. »Ich – mein Sohn ist
Jeff LaConner. Er war in dem Spiel …«
Sofort kam ein zorniges Blitzen in die Augen der anderen
Frau. »Ich weiß, wer er ist«, sagte sie. »Er ist der Junge, der
meinen Sohn verletzt hat. Ich bin Maria Ramirez«, fügte sie in
einem Ton hinzu, den Charlotte beinahe als Herausforderung
empfand.
Charlotte verging fast in peinlicher Verlegenheit. »Ich, ich
bin bloß gekommen, um zu sehen, wie es Ihrem Sohn geht«,
flüsterte sie. »Wird er wieder gesund werden?«
Maria Ramirez’ Augen wurden naß, aber als sie sprach,
hatte sie ihre Stimme vollkommen unter Kontrolle. »Nein, er
wird nicht wieder gesund werden. Vielleicht wird er nie mehr
gehen können.« Obwohl sie Charlotte erschrecken sah, fuhr sie
unerbittlich fort: »Es ist möglich, daß er nicht einmal am Leben
bleiben wird, Mrs. LaConner. Es mag sein, daß Ihr Sohn
meinen Jungen getötet hat.«
Charlotte schloß die Augen, als könnte das die Wirklichkeit
der Worte auslöschen. Aber als sie sie wieder öffnete, starrte
die schmale Mexikanerin sie immer noch an. »Gibt es – gibt es
irgend etwas, was ich tun kann?« flüsterte Charlotte.
Die andere schüttelte den Kopf. Charlotte trat einen Schritt
auf sie zu und machte eine Handbewegung, als wollte sie die
Frau berühren, aber Maria Ramirez wich von ihr zurück.
Schweigend wandte Charlotte sich zum Gehen. Aber als sie an
der Tür war, ergriff Maria Ramirez wieder das Wort.
»Bringen Sie Ihren Sohn dazu, daß er aufhört, dieses Spiel
zu spielen, Mrs. LaConner«, sagte sie. »Wenn er weitermacht,
wird er wieder jemanden verletzen.«
Charlotte wandte sich um und nickte. »Das werde ich tun,
Mrs. Ramirez. Sie können sich darauf verlassen. Jeff hat sein
letztes Spiel gespielt.«
Als sie jedoch das Krankenhaus verließ und in das
strahlende Licht des sonnigen Mittags hinausging, fragte sie
sich, ob sie in der Lage sein würde, ihr Versprechen in die Tat
umzusetzen. In den zwanzig Jahren, die sie mit Chuck
verheiratet war, hatte sie in einem größeren Streit noch nie die
Oberhand behalten. Seine ›Logik‹ siegte unausweichlich über
ihre Gefühlsseligkeit.
    Blake Tanner hatte den Vormittag mit einem Rundgang durch
die Einrichtungen der Tarrentech-Niederlassung verbracht,
sachkundig geführt von Jerry Harris. Und je mehr er gesehen
hatte, desto größer war sein Staunen geworden.
    Als er am Morgen zum Arbeitsantritt gekommen war,

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