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Bestien

Bestien

Titel: Bestien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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Schultern,
und sie hob mechanisch ihre Hände und legte sie darüber. Eine
Weile sprachen weder sie noch er, dann zog Blake die Hände
zurück. »Meinst du nicht, daß wir nach Haus gehen sollten?«
fragte er und ging dabei um das Bett zur anderen Seite, daß sie
ihn sehen konnte.
    »Ich kann nicht. Wenn er aufwacht, möchte ich hier sein.«
»Er wird heute nacht nicht aufwachen«, erwiderte Blake.
»Ich sprach gerade mit der Schwester und sie sagt, er werde bis
zum Morgen durchschlafen.«
Sharon seufzte. Ihr Blick verließ den Jungen und ging zu
ihrem Mann. »Das hat für mich nichts zu sagen. Ich möchte
einfach für ihn da sein, das ist alles.«
Blake überlegte, dann nickte er. »Das verstehe ich. Bleib du
hier, und ich fahre zu den Harris’, hole Kelly ab und fahre mit
ihr nach Haus.« Er schwieg einen Moment, dann fügte er
hinzu: »Begleitest du mich zur Tür?«
Zuerst dachte er, Sharon würde es ablehnen, dann aber stand
sie auf, berührte Marks Wange mit den Fingerspitzen und
nickte. Schweigend gingen sie hinaus und durch den Korridor
zur Schwesternstation. Der Warteraum jenseits davon lag
verlassen.
»Wie geht’s ihm?« fragte Karen Akers und blickte schnell
von dem Bildschirmgerät auf, das vor ihr auf dem Schreibtisch
glomm.
Sharon lächelte matt. »Er schläft noch.«
»Sie sollten wirklich heimgehen, Mrs. Tanner«, sagte die
Krankenschwester. »Sie können jetzt kaum etwas für ihn tun.«
Sie sagte es nur der Form halber; es war ihr klar, daß ihre
Worte wirkungslos bleiben würden. Als sie Sharon den Kopf
schütteln sah, wartete sie die Antwort nicht ab und sagte:
»Wissen Sie was, ich werde uns Kaffee machen und Ihnen eine
Tasse bringen, wenn er fertig ist.« Damit stand sie auf und ging
zu der kleinen Küche durch, die im Nebenraum untergebracht
war.
Sharon und Blake erreichten die Tür, und Blake küßte sie
auf die Stirn. »Es wird alles gut«, versicherte er ihr.
»In ein paar Tagen wirst du kaum merken, daß ihm etwas
passiert ist.«
Sharon nickte mechanisch, obwohl sie anderer Meinung
war. Der Anblick ihres auf der Bahre liegenden Sohnes, seines
zerschlagenen und blutigen Gesichts, würde ihr niemals aus
dem Gedächtnis schwinden. Als Blake die Tür öffnete, kam
plötzlich ein Gedanke in ihr auf, der im Hintergrund ihres
Bewußtseins gewesen war, seit sie den Warteraum verlassen
hatte, um ihre Nachtwache an Marks Bett anzutreten.
»Blake«, sagte sie, »weißt du genau, was mit dem RamirezJungen geschehen ist?«
Blake nickte. »Ich sah die Diagnose«, antwortete er und
machte sich auf die Frage gefaßt, die als nächstes kommen
mußte und die er sich selbst vorgelegt hatte, seit er zuerst von
dem Kampf zwischen Jeff und Mark gehört hatte.
»War es ein Unfall?« fragte Sharon. »Oder verletzte Jeff den
Ramirez-Jungen vorsätzlich?«
Blake antwortete nicht gleich, denn er mußte an die Kassette
denken, die Jerry Harris ihm vorgespielt hatte, nachdem er den
Ramirez-Fall übernommen hatte. »Ich weiß es nicht«, sagte er
schließlich. »Es kann vorsätzlich gewesen sein. Aber es besteht
die Möglichkeit, daß es nicht so war.«
Sharon sagte nichts, doch ehe sie ihn gehen ließ, konnte
Blake den Schatten in ihre Augen kommen sehen. Dieser Blick
bedeutete unweigerlich, daß sie ihr Augenmerk auf etwas
gerichtet hatte und nun anfangen würde, es zu untersuchen und
sich Gedanken darüber zu machen, bis sie zur ihrer Zufriedenheit gelöst hätte, was sie als ihr Problem betrachtete.
Als er gegangen war, lehnte Sharon noch eine Weile am
dicken Glas der Eingangstür. Dann, als ihr Entschluß gefaßt
war, ging sie zurück durch den Korridor. Statt jedoch wieder in
Marks Zimmer zu gehen, ging sie weiter zur Intensivstation.
Der Raum, wo Ricardo Ramirez lag, den Körper noch
immer starr im grotesken Mechanismus des Stryker-Rahmens,
war, sah man von den zusätzlichen Geräten ab, dem ihres
Jungen nicht unähnlich, und die Ähnlichkeit machte sie
erschauern.
Genauso hätte es heute abend Mark ergehen können, dachte
sie bei sich. Ihr Blick ging zu den Monitoren über dem Bett,
deren grüne Signale unheimlich in den abgedunkelten Raum
funkten, die endlos sich wiederholenden Muster der künstlich
aufrechterhaltenen Lebensfunktionen, die in fast hypnotischem
Rhythmus über die Bildschirme gingen. Wieder verlor Sharon
jedes Gefühl für den Zeitablauf, als sie dastand und stumm
zusah.
Was mochte im Kopf des Jungen vorgehen? Hatte er eine
Spur von Bewußtsein bewahrt? Träumte er? Litt er

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