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Bestien

Bestien

Titel: Bestien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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was sie sah; die dicken Spinnweben,
die sich auf ihren Geist herabgesenkt hatten, sperrten die
alberne Ablenkung wirksam aus.
    Chuck war geduldig mit ihr gewesen, hatte zu Beginn der
Woche schweigend ihre Entschuldigungen akzeptiert, daß der
Schnee sie am Fortgehen hindere. Aber der Schnee war bis
Dienstagmorgen geschmolzen, und Charlotte blieb noch immer
im Haus, zog sich tiefer und tiefer in sich selbst zurück,
vereinsamt durch die jähe und vollständige Trennung von
ihrem Sohn.
    Ohne es recht wahrzunehmen, hörte sie die Hintertür gehen.
Als Chuck in das Zimmer kam, wo sie saß – steif aufgerichtet
auf der Stuhlkante, als befürchtete sie, sie könnte vollends
zusammenbrechen, wenn sie sich Entspannung gönnte –,
verließ ihr Blick zögernd das Fernsehgerät und richtete sich auf
ihren Mann.
    Chuck betrachtete sie mit besorgtem Blick. Sie sah
schlechter aus, schlechter noch als am Morgen. Sie sprach
kaum noch mit ihm, und als er sie am Morgen in der Küche
hatte sitzen sehen, wo sie mechanisch in einer längst erkalteten
Tasse Kaffee gerührt hatte, war in ihm die unabweisbare Sorge
aufgekommen, ob sie ihm auch verloren sei, wie Jeff ihm
verloren war. Nun aber, nach seinem letzten Gespräch mit
Jerry Harris, sah er einen Hoffnungsschimmer. »Liebling?«
sagte er leise. »Wie fühlst du dich?«
    Charlotte erzwang ein ungewisses Lächeln. »Es gibt so viel
zu tun«, erwiderte sie und ließ den Blick flüchtig durch den
Raum gehen. »Aber ich kann mich einfach nicht dazu
aufraffen.«
    Chuck ging zu ihr, setzte sich behutsam neben sie aufs Sofa
und legte schützend den Arm um sie. »Laß gut sein«, murmelte
er. Sie wandte den Kopf und blickte ihm in die Augen. »Wir
werden fortgehen, Liebling. Ich bin versetzt worden.«
    Ein verwirrter Ausdruck kam in Charlottes Augen, als wäre
ihr nicht klar, was die Worte bedeuteten. »Ver … versetzt?
Aber wir können jetzt nicht wegziehen, mitten im Schuljahr.
Jeff …« Sie verstummte, als habe die bloße Erwähnung des
Namens sie erinnert, daß ihr Sohn nicht mehr zur Schule ging.
    »Es wird alles in Ordnung kommen«, versicherte er ihr.
»Alle Vorbereitungen sind bereits getroffen. Wir gehen nach
Boston.«
    Dort war Charlotte aufgewachsen, und er hatte gehofft, daß
die Aussicht auf Rückkehr in ihre Heimat sie aus der
Depression reißen würde, die während der letzten Woche über
sie gekommen war; aber sie starrte ihn nur eine Weile an, um
dann den Kopf zu schütteln.
    »Aber natürlich können wir nicht gehen.« Sie sagte es wie
eine Selbstverständlichkeit, deren Wiederholung eigentlich
überflüssig sei, weil Chuck es bereits wissen müsse.
    »Nein, Liebling«, sagte Chuck. »Ich habe gerade diesen
Punkt in meinem Gespräch mit Jerry Harris angesprochen. Es
ist alles geklärt – wir können jederzeit abreisen. Schon heute,
wenn du willst.« Endlich schienen seine Worte ihre
Benommenheit zu durchdringen. Wieder sah sie ihn an,
beinahe argwöhnisch, wie eine Maus den Käse in der Falle
beschnuppert, bevor sie versucht, ihn zu schnappen. Dann
klärte sich ihr Blick auf.
    »Aber das können wir nicht tun!« rief sie aus. Sie schüttelte
Chucks Arm ab und erhob sich. »Wir können nicht einfach
packen und weggehen – was soll mit Jeff werden? Wir müssen
für ihn Vorkehrungen treffen, ein Krankenhaus für ihn suchen
…« Dann, als sie die düstere Leere in den Augen ihres Mannes
sah, wurde ihr die volle Wahrheit dessen bewußt, was er sagte.
»Lieber Gott!« stöhnte sie. »Du willst doch nicht sagen, daß
wir ihn überhaupt nicht mitnehmen? Glaubst du, wir können
einfach fortgehen und ihn hier zurücklassen …«
    »Nein«, sagte Chuck, obwohl er wußte, daß ihre Worte die
Wahrheit waren. Aber es sollte nicht so aussehen, wie
Charlotte es darstellte. »Wir können ihn jetzt nicht mit uns
nehmen«, gab er zu. »Aber wenn es ihm besser geht, sagt Jerry
Harris …«
    »Jerry Harris!« Charlotte spuckte den Namen aus. »Ich hätte
mir denken können, daß Jerry Harris seine Hände mit in
diesem Spiel hat.« Heller Zorn leuchtete aus ihren Augen. »Es
ist alles Teil eines weiteren großartigen Planes von Tarrentech,
nicht wahr?« Ihre Stimme drohte zu kippen, und sie blickte
hastig im Raum umher, als erwarte sie beinahe, daß Jerry
Harris sie aus einem Winkel beobachtete. »Das also ist es!«
rief sie aus. »Sie haben Jeff etwas angetan, nicht? Und nun
wollen sie dich abfinden. Das ist es doch, Chuck. Sie sorgen
dafür, daß wir von der Bildfläche

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