BETA (German Edition)
ist das völlig egal. »Mein Vater sagt, dass wir alle auf die eine oder andere Weise kaputt sind. Menschen und Klone. Er sagt, es wird jetzt nur als Drohung gebraucht, um Klone einzuschüchtern und zum Gehorsam zu zwingen. Er sagt, es sei nichts anderes als ein Wort.«
Für einen Vater ist Tariq Fortesquieu verdammt cool.
»Mein Vater fände es ermutigend, wenn eine Beta zu ihrer First eine Beziehung aufbauen kann«, fügt Tahir hinzu.
»Hast du echte Erinnerungen an deinen First?«, frage ich Tahir.
»Wenn du damit meinst, ob ich mit den Erinnerungen bestimmte Gefühle verbinde oder etwas innerlich noch einmal erlebe, dann lautet die Antwort nein. Meine Erinnerungen sind nur ein Datengerüst, ohne plastische Einzelheiten. Die nackten Tatsachen. Als hättest du ein Malbuch, in dem alles mit schwarzen Umrissen vorgezeichnet ist, aber ohne die Farben. Und für den Fall, dass auf meinen Chip nicht vollständig Verlass sein sollte, überspielen seine Eltern – meine Eltern, wie mir ständig vorgesagt wird – mir Übungsaufgaben, auf denen ich Gesichter und Namen einander zuordnen oder mich an Begebenheiten aus seinem Leben erinnern soll. Sie befürchten, dass ich nur einen hölzernen Abklatsch ihres Sohnes abgebe. Ich soll meine Rolle so gut spielen, dass keiner auch nur auf die Idee käme, mich für einen Klon zu halten. Aber das ist nicht nur Show. Sie wollen tatsächlich, dass ich das Gefühl habe, der echte Tahir zu sein. Natürlich geht das nicht. Das kann ich nicht.«
»Weil du besser bist.« Wahrscheinlich glaubt er, ich sage das deswegen, weil er im Labor erschaffen wurde, aber ich weiß, dass er netter und sanfter als der echte Tahir ist.
»Tariq und Bahiyya sind ständig enttäuscht von mir. Ich kann ihre Zuneigung und Liebe nicht erwidern oder mich mit ihnen über Erinnerungen aus Tahirs Kindheit freuen. Ich kann meinen First in allem nachahmen, aber Gefühle habe ich dabei keine. Das wissen sie auch.«
»Wünschst du dir denn, du könntest auch echte Gefühle haben?«
Tahirs Gesicht nimmt einen Ausdruck an, der auf unseren Datenbanken als neugierig gekennzeichnet ist. »Einen Moment lang, nachdem ich von Ivans Raxia genommen hatte, hab ich es mir gewünscht. Aber dann war es wieder vorbei. Ich kann nichts wünschen, Elysia. Das weißt du doch.«
Am frühen Nachmittag bitten uns Tahirs Eltern zu einem Picknick an den Strand. Bahiyya hat sich dort in die Meereswellen von Ion einen Hydromassage-Pool bauen lassen, in dem sie jetzt liegt. Die Wände des Beckens sind aus Jade, in einem Grün, das den Augen schmeichelt. Bei jeder Welle wird violettblaues Meereswasser über den Rand gespült. Tahirs Mutter hat einen roten Samtturban um den Kopf geschlungen, der ihre grauen Haare verdeckt und ihr Gesicht jugendlicher wirken lässt. Sie wirkt heiter und gelöst.
»Du wirkst sehr entspannt«, sagt Tahir zu ihr, als wir am Beckenrand stehen. Die Diener bereiten alles für das Picknick vor. Eine Decke ist auf dem Boden ausgebreitet und auf niedrigen Tischen stehen Getränke bereit. »Die Luft hier tut dir gut, wie ich sehe.«
»Ich kann gar nicht genug davon bekommen.« Bahiyya atmet tief ein und aus. »Hab ich dir nicht gesagt, dass Demesne ein magischer Ort ist?«
»Hast du«, antwortet Tahir.
»Bist du gerne hier?«, fragt sie ihn.
»Ja, ich bin gerne hier«, antwortet er.
Bahiyya merkt, dass er das nur ihr zuliebe sagt. »Ach, eure Generation, ihr könnt diese Freuden gar nicht richtig schätzen. Ihr wisst nicht, was Krieg und Leid bedeutet. Hoffentlich müsst ihr es auch nie erfahren.«
»Danke«, antwortet Tahir.
Wahrscheinlich weiß Bahiyya, dass es vergebens wäre, ihrem geklonten Sohn die Erfahrungen ihrer Generation weitergeben zu wollen, denn sie wechselt schnell das Thema. Nachdem sie mich kurz in meinem einteiligen Badeanzug gemustert hat, sagt sie: »Ich hab gehört, dass du eine hervorragende Schwimmerin bist, Elysia.«
Ich führe meine Künste vor. Ich gehe am Beckenrand zum Ende des Pools, der weit ins Meer hineinragt, tauche mit einem Kopfsprung in die Wellen und schwimme dann im Butterfly-Stil ein gutes Stück in den Ozean hinaus. Nach einer Weile kehre ich um. »Wie beeindruckend!«, ruft Bahiyya. »Als wärst du im Wasser geboren. Welche Anmut und Kraft. Komm zu mir, du olympiareife Schwimmerin.«
Ich lasse mich in ihren Pool gleiten. Warmes Wasser umströmt meinen Körper und massiert meine Muskeln, seidig und glatt.
»Du auch, Tahir«, sagt Bahiyya. »Komm zu mir. Ich hab euch
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