Beuteschema: Thriller (German Edition)
mussten und einen Platz brauchten, wo sie nachts pennen konnten, sei es, weil es zu spät geworden war, um nach Hause zu fahren, weil es das Wetter nicht zuließ oder weil sie in der Bar einen zu viel getrunken hatten. Manchmal auch, weil ihr Zuhause schlicht nicht der angenehmste Ort war. Donnellys B&B war immer für sie da.
Während eines Tankstopps hatte Nick Donnelly angerufen und erklärt, was los war, und der hatte ihm, wie es seine Art war, versichert, dass drei Zimmer ohne Bezahlung auf sie warten würden, solange sie sie brauchten.
Hochgewachsen und gepflegt, mit vollem, grau werdendem Haar, wartete Donnelly vor dem Haus auf sie. Er hatte eine abgesägte doppelläufige Flinte in der Hand. Nick sprang aus dem Wagen, bevor er richtig stand und lief zu seinem Freund, um ihn zu umarmen, während Claire langsam ausstieg und sich streckte.
» Timmy, das ist Claire Waters. Timmy ist ein Freund, und er weiß Bescheid.«
» Willkommen«, sagte Donnelly und gab ihr die Hand.
» Danke«, sagte Claire.
» Mein Haus gehört euch, solange ihr es braucht«, sagte Donnelly in beruhigendem Ton. » Bringen wir erst mal die Kleinen unter.« Er hob eine von Nicks schlafenden Töchtern vom Rücksitz und gestikulierte zu Helen und dem anderen Mädchen. » Und dann schaffen wir das Ding hier außer Sicht«, sagte er und klopfte auf das Dach des alten Dodge.
» Ich werde ein Auto mieten müssen«, sagte Nick.
» Sonst noch was«, sagte Donnelly und fuchtelte mit der Hand. » Mein Sohn hat gerade mit dem College begonnen und seinen Wagen hiergelassen. Den kannst du nehmen.«
» Wo sind wir?«, fragte Helen, gähnte und streckte sich auf dem Rücksitz.
» In Sicherheit, Mom«, sagte Nick und stellte sie und seine inzwischen aufgewachten Töchter vor. Donnelly führte sie ins Haus und zu ihren Zimmern.
Nick ging zur Fahrerseite des Vans, um ihn woanders abzustellen. Claire schnitt ihm den Weg ab. » Ich fahre«, sagte sie.
» Wir fahren ihn nur hinters Haus«, sagte Nick, nicht ohne eine gewisse Abwehrhaltung.
» Wir können es aber nicht gebrauchen, dass Sie unterwegs an einem Baum landen«, tadelte Claire und musste nach den Schrecknissen dieser Nacht beinahe lachen.
Widerwillig ging Nick zur Beifahrerseite, und Claire setzte sich ans Steuer.
» Wie lange bleiben wir hier?«, fragte sie.
Nick sah auf die Uhr. Es war 3.15 Uhr. » Bis morgen Abend«, sagte er. » Dann gehen wir beide auf eine Exkursion.«
29
Der schmale Flur wurde von nackten Glühbirnen, die an Elektrokabeln hingen, nur schwach beleuchtet. Claire ging verwirrt zwischen den Betonwänden entlang. Es war so dunkel, dass sie kaum etwas sah. Wo war sie?
Die Lichter wurden heller, und sie erkannte, dass sie wieder im Gefängnis auf Rikers Island war. In demselben Zellenblock, in dem sie mit Curtin gewesen war. Aber dieses Mal war Curtin nicht bei ihr.
Sie ging schneller, vorbei an Gefangenen, die lüstern aus ihren im Dunkeln liegenden Zellen zu ihr herausstarrten. Sie konnte ihre Augen sehen, die alle in einem vertrauten Grün leuchteten.
In ihrer Angst ging sie schneller und schneller und sah zu den Glühbirnen hinauf, die in rascher Folge auftauchten. Warum sahen sie so merkwürdig aus?
Dann wurde es ihr klar. Die Birnen waren wie Nasen geformt an ihren Kabeln. Genau in diesem Moment traten die Gefangenen in ihren Zellen an die Gitterstäbe vor, und Claire sah ihre Gesichter.
Quimby. Jeder Einzelne von ihnen war Quimby.
Der erste grinste sie an, der zweite lachte, der dritte schrie, auch wenn man seine Worte nicht hörte. Und der letzte erschreckte sie. Er war tot. Verfaulte. Verweste. Seine Haut tropfte wie Wachs von seinem Gesicht.
Claire wandte sich entsetzt ab und entdeckte zwei kaum beleuchtete Männer am Ende des Flurs. Als sie sich ihnen näherte, sah sie, dass sie gleich angezogen waren, jeweils mit Polohemd und Shorts.
» Es hat einen schrecklichen Unfall gegeben«, sagte einer von ihnen; sein Gesicht konnte sie allerdings nicht sehen. » Komm mit uns. Hab keine Angst.«
Die beiden Männer streckten die Hände nach Claire aus. » Du bist ein sehr hübsches kleines Mädchen«, sagte der zweite Mann. » Ich wette, du bist auch sehr klug.«
» Klüger als gut für sie ist«, sagte der erste Mann, und die beiden fingen an zu lachen, und ihr Lachen begann zu hallen und wuchs zu einem ohrenbetäubenden Lärm an.
Claire ging auf sie zu und konnte jetzt ihre Gesichter sehen. Es waren Curtin und Sedgwick. Sie lachten so laut, dass der Raum
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