Bevor der Tod euch scheidet (German Edition)
mir, dass ich nicht allein dort war, also sah ich mich um. Plötzlich schloss jemand die Tür von außen ab und lief davon, und ich war dort eingesperrt.“
Bragg schnaubte heftig, ein Zeichen dafür, dass er wütend war. „Und weiter?“
Sie benetzte ihre Lippen und fuhr fort: „Ich habe um Hilfe gerufen, doch niemand hat mich gehört. Dann habe ich versucht, durch ein kleines Fenster im Hinterzimmer zu klettern. Dafür musste ich aber erst die Scheibe einschlagen. Ein paar Splitter haben mich dabei im Gesicht getroffen.“
Ohne den Blick von ihrem Gesicht abzuwenden, griff er nach ihren Händen. „Und wie hast du dich an den Fingern verletzt?“
„Ich habe mich an der Wand festklammern müssen, als ich versuchte, zu dem Fenster zu gelangen.“
Seine Miene schien sich noch mehr zu versteinern.
Unwillkürlich musste sie seine Reaktion mit der von Hart vergleichen. Hatte Calder ihre Schnittwunden und Kratzer überhaupt bemerkt? „Schließlich wurden zwei Kinder auf mich aufmerksam, und ihr Vater und ein Streifenpolizist holten mich aus der Galerie.“
Einen Moment lang hielt er ihre Hände weiter fest, und sie bekam das Gefühl, dass alles wieder ins Lot kommen würde. Dabei kam ihr Harts kalter, abweisender Blick ins Gedächtnis, seine vorsätzliche Grausamkeit, seine Worte. Es ist vorbei. Sie zuckte zusammen. Es konnte nicht vorbei sein.
Bragg ließ sie los und griff nach dem Telefonhörer. Es war unglaublich, aber in seinem Haus gab es tatsächlich zwei Telefonapparate. Der andere befand sich oben im Schlafzimmer. Das war schlicht skandalös, doch er behauptete, es sei sehr praktisch. „Bragg hier. Riegeln Sie die Galerie Moore ab, Waverly Place Nummer 69! Die Galerie ist Schauplatz einer versuchten Entführung. Niemand darf das Ladenlokal betreten oder verlassen. Das gilt auch für den Galeristen Moore und für die Polizei. Ich wiederhole: Sie sollen die Galerie lediglich abriegeln, aber niemand geht dort hinein! Ich werde in einer halben Stunde dort sein.“ Er lauschte noch sekundenlang, dann hängte er den Hörer auf und sah sie an. „Du musst nicht mitkommen, Francesca! Ich kann den Fall von jetzt an allein verfolgen.“
„Natürlich werde ich mitkommen!“, protestierte sie.
Bragg begann zu lächeln. „Ich hatte mir bereits gedacht, dass du das sagen würdest.“
Francesca erwiderte das Lächeln. In Kürze würden seine Leute an der Galerie eintreffen, und niemand würde in der Lage sein, sie zu betreten und ihr Porträt zu betrachten. Zwar mussten sie sich jetzt auf den Weg nach Downtown begeben, aber es war nicht mehr ganz so eilig. Sie berührte flüchtig seinen Arm. „Habe ich dir den Abend verdorben?“
„Nein.“
Seine Antwort klang so schroff und entschieden, dass sie erschrak. Stimmte etwas nicht? Dann fügte er in sanfterem Tonfall hinzu: „Wir waren uns einig, den Diebstahl des Gemäldes zu untersuchen, ohne die Polizei einzuschalten. Doch nach den heutigen Ereignissen wüsste ich nicht, wie ich darauf verzichten könnte, die Ressourcen zu nutzen, die mir zur Verfügung stehen.“
Nach kurzem Zögern entgegnete sie: „Hart hatte mit seinen Privatdetektiven keinen Erfolg.“
„Allerdings nicht. Und dabei haben sie sich in jeder Galerie in Manhattan und Brooklyn umgesehen. Niemand hat dein Porträt gesehen oder auch nur etwas darüber gehört.“ Mit finsterer Miene fuhr er fort. „Es ist klar, dass niemand es jemals zu Gesicht bekommen darf. Wollen wir hoffen, dass wir es heute Abend sicherstellen können, damit ein für alle Mal Ruhe herrscht.“
Sie schlang die Arme um sich. Es war anzunehmen, dass innerhalb der nächsten Stunde die Jagd nach dem Gemälde abgeschlossen werden konnte, aber damit war der Dieb immer noch auf freiem Fuß. Warum hatte sie selbst sich nicht intensiver an der Suche beteiligt? Zugegeben, als das Bild am 27. April aus Sarahs Studio verschwand, da war sie damit beschäftigt gewesen, den Schlitzer zu finden, bevor der noch eine weitere unschuldige Frau ermorden konnte. Dann war Daisy Jones tot aufgefunden worden, und sofort wurde Hart zum Hauptverdächtigen erklärt. Also hatte sie alle Hände voll zu tun gehabt, seine Unschuld zu beweisen. Zum Glück waren lediglich vier Tage nötig gewesen, um diesen Fall zu klären; Marion Gillespie hatte am 6. Juni den Mord an ihrer eigenen Tochter gestanden.
„Was ist los?“, fragte Bragg leise.
„Oh, ich habe gerade überlegt, dass ich mich stärker auf die Suche nach dem Bild hätte konzentrieren
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