Bevor der Tod euch scheidet (German Edition)
Francesca etwas anderes ein. „Ich sollte mit Rose reden, Bragg.“
Er sah sie skeptisch an. Rose Cooper war eine Edelprostituierte, die Daisy Jones sehr nahegestanden hatte. Hart hatte ihre Dienste einige Male in Anspruch genommen, bevor er Francesca begegnet war. Doch Rose war von brennendem Hass auf ihn erfüllt – denn sie hatte Daisy geliebt, während Daisy ihrerseits in Calder verliebt gewesen war.
„Vor zwei Monaten habe ich noch mit Rose gesprochen, und da hatte sie keine Ahnung, wo sich Solange Marceaux aufhält.“
„Zwei Monate sind eine lange Zeit.“ Francesca lächelte ihn entschlossen an. „Außerdem bist du nicht ich. Ich kann Rose leichter überreden, mir zu helfen. Und ich habe noch was bei ihr gut.“ Rose hatte sie damals gebeten, Daisys Mörder zu finden. Das hätte Francesca zwar so oder so getan, aber sie hatte der anderen Frau auch in ihrer Trauer beigestanden und ihr Trost gespendet. „Vielleicht kann mich Rose ja zu Dawn führen.“ Dawn hatte früher für Solange Marceaux gearbeitet. „Sie könnte wissen, wo sich ihre ehemalige Arbeitgeberin heute aufhält. Außerdem hatte sie uns geholfen, als wir diese Kinder retten mussten.“
„Ein exzellenter Plan“, stimmte Bragg ihr zu. Er notierte noch etwas auf dem gleichen Blatt und hielt es ihr hin. „Das ist die letzte bekannte Adresse, die wir von Rose haben.“
Sie warf ihm einen verwunderten Blick zu.
„Anfang Mai hatte Chief Farr immer noch Kontakt zu ihr, Francesca.“
„Hm“, machte sie. „Ich hoffe, diese Affäre dauert noch eine Weile an. Dann habe ich womöglich etwas gegen ihn in der Hand, falls ich das mal benötigen sollte.“
Bragg kam um den Tisch herum und berührte sie am Arm. „Komm bloß nicht auf den Gedanken, irgendetwas gegen den Chief als Druckmittel zu verwenden!“, warnte er sie. „Wenn es hier hart auf hart kommt, werde ich derjenige sein, der Druck ausübt.“
Er würde immer ihr Beschützer sein – auch wenn sie gar nicht beschützt werden musste. „Also gut, dann haben wir eben beide etwas gegen ihn in der Hand, wenn die zwei nach wie vor miteinander zu tun haben.“ Sie lächelte ihn an.
Braggs Lächeln war nur eine flüchtige Erwiderung. „Ich muss erst einige Telefonate erledigen, ehe wir Daniel Moore einen Besuch abstatten können. Das kann unter Umständen eine Stunde in Anspruch nehmen. Kannst du so lange warten?“
Eigentlich wollte Francesca nicht eine Stunde lang mit Warten verbringen, aber sie hatte ihm angesehen, wie ermattet er war. „Stimmt irgendetwas nicht, Rick? Du warst gestern schon so müde, und heute siehst du kein bisschen munterer aus.“
Ohne sie anzusehen, setzte er sich an seinen Schreibtisch und erwiderte: „Ich habe letzte Nacht noch lange gearbeitet.“
„Bist du noch ins Büro gefahren, nachdem du mich zu Hause abgesetzt hattest?“, fragte sie erschrocken.
Er zögerte kurz, griff nach einem Bleistift und machte Notizen, um ihr nicht in die Augen sehen zu müssen. „Ja.“
Francesca trat vor und stützte sich mit beiden Händen auf den Schreibtisch, dann beugte sie sich so vor, dass er hochsehen und sie anschauen musste. „Was ist los?“ Sie überlegte, ob sein weißes Hemd das gleiche wie am Abend zuvor war. „Rick, wann bist du letzte Nacht nach Hause gefahren?“
„Vermutlich gegen vier“, antwortete er mit einem Seufzer und ließ sich nach hinten sinken.
Ihre Gedanken überschlugen sich. Irgendetwas stimmte hier nicht. Sie war so sehr mit ihrer Hochzeit und den Ereignissen der letzten vierundzwanzig Stunden beschäftigt gewesen, dass sie nichts um sich herum mehr wahrgenommen hatte. Sie griff nach seiner Hand. „Was ist los? Was hat sich in den letzten zwei Wochen ereignet?“
„Ich stehe unter Druck, Francesca. Das ist alles.“ Er zog seine Hand zurück und starrte auf den Schreibtisch. „Der Bürgermeister hat beschlossen, mit Tammany Hall und den Deutschen zu verhandeln – und Reverend Parkhursts Anhänger führen in Bordellen und Kneipen Razzien durch. Die Reporter stürzen sich natürlich wie die Hyänen darauf. Ich befinde mich in einer scheußlichen Position.“
Ihr Gefühl sagte ihr, dass da noch etwas anderes war. „Und wie geht es Leigh Anne?“ Als er sich daraufhin versteifte und kein Wort sprach, ahnte sie, dass es in seiner Ehe Probleme gab. „Rick?“, hakte sie behutsam nach.
Langsam hob er den Kopf. „Müssen wir darüber reden?“
„Ja, das müssen wir! Weil … weil es mir wichtig ist. Sehr wichtig“,
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