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Bis ans Ende des Horizonts

Bis ans Ende des Horizonts

Titel: Bis ans Ende des Horizonts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Sayer
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lächelten sie zurück.
    Aus Tagen wurden Wochen mit ständigem Monsunregen, auf schlüpfrigen Trampelpfaden bewegten sie sich endlos weiter, begleitet vom Knallen und Rattern gelegentlicher Schusswechsel. Sie marschierten von einem isolierten Außenposten zum nächsten, schlichen durch hohes Silberhaargras, durchquerten zahllose Bäche, übernachteten in schmutzigen Schützenlöchern oder unter einem von Wanipe rasch zusammengebauten Schutzdach. Wenn sie alle zwei bis drei Tage einen neuen Posten erreichten, erhielten sie von Rudolph über Funk den nächsten Marschbefehl. Japanische Einheiten operierten im oberen Teil des Tales weitgehend unabhängig voneinander und standen offenbar nicht unter einem einheitlichen Kommando. Deswegen kam es meistens unerwartet zu Gefechten, eine irgendwie erkennbare Strategie schien nicht vorhanden zu sein. Es konnte vorkommen, dass Pearl und Charlie mitten in einem etwa einen Meter breiten Schützengraben vor vier oder fünf Soldaten ihre Show mit reduziertem Standardrepertoire und einigen Sprüchen und Witzen vorführten und die Männer darüber lachten, aber plötzlich ihre Gewehre hoben und losfeuerten. An anderen Orten spielten sie in provisorischen Zelten oder unter dem Schutz einer Leinwandplane, die wegen des Regens zwischen drei oder vier Bäumen aufgespannt war.
    Wenn es regnete, war Pearl stets in Sorge, dass ihre Uniform zu nass wurde, am Körper klebte und dadurch ihre weiblichen Körperformen verräterisch sichtbar wurden. Wegen der kargen und eintönigen Essensrationen und der strammen Fußmärsche hatte sie allerdings so viel Gewicht verloren, dass ihr Körper längst die knabenhaften Umrisse angenommen hatte, die sie von ihrem Bruder kannte. Nachdem sie zwei Monate lang von Nadzab weg und durch die Bergregion geschweift waren, war aus ihrer üblichen Periode ein höchstens zweitägiges Tröpfeln geworden. Unterwegs behalf sie sich meist mit zusammengerolltem Verbandsmull. Sie wurde von Fußpilz befallen, Gesicht und Arme waren von Kratzern und Mückenstichen so gezeichnet, dass es stellenweise wie eine Tätowierung wirkte. Eines Tages bohrte sich eine Zecke in ihre linke Achselhöhle, und Wanipe musste sie mit der Bajonettspitze herauskratzen. Während dieser anstrengenden Monate spürte sie ständig ihren Körper, besonders ihre Füße, ihre Gelenke, ihre Hände. Oftmals kam es ihr so vor, als ob ihr Körper machtlos wäre und mit ihrem eisernen Willen überhaupt nicht mithalten könnte. Innerlich war Pearl ohne Wenn und Aber auf ihr Ziel fixiert. Als sie bemerkte, dass sie sich auch noch Kopfläuse eingefangen hatte, rasierte sie sich, ohne mit der Wimper zu zucken, die Haare ab und rieb die Kopfhaut mit Wanipes Schweineschmalz ein. Danach fuhr Wanipe mit der Hand über ihren glatten, glitschigen Kopf und bemerkte in reumütigem Ton: »Jetzt nicht hübsch.«
    Zu dieser Zeit lebte das Minnesänger-Duo nur noch von Notrationen, die alle fünf bis sechs Tage von niedrig fliegenden Maschinen aus abgeworfen wurden. Diese Rationen bestanden nur noch aus zwei Dosen Büchsenfleisch pro Tag für jeden, wenigen Päckchen Zwieback und Zigaretten. Ein kleines Stückchen Seife und drei Rasierklingen mussten für eine Woche reichen. Mitte Juli erlegte Wanipe ein Wildschwein mit Charlies Bajonett, das er wie einen Speer warf. Sie brieten es und teilten es sich mit einer Einheit vollkommen ausgemergelter Amerikaner, die durch Mangelernährung und zu wenig Schlaf bereits stark geschwächt waren.
    Wanipe machte Pearl und Charlie auch mit Betelnusskauen bekannt. Der sogenannte Betelpfeffer wirkte irgendwie erfrischend im Mund und ganz allgemein stimulierend; sie spürten kaum mehr den Hunger oder die Müdigkeit. Es war ähnlich wie nach ein paar Gläschen Whisky. Wenn sie abends unter einem von Wanipes provisorischen Schutzdächern lagen, sangen sie dann manchmal zu dritt. Pearl und Charlie brachten Wanipe ein paar Swingrhythmen bei, sodass er sie auf der Trommel begleiten konnte. Umgekehrt lehrte Wanipe sie ein paar Lieder in seiner Eingeborenensprache. Dann lernte er den Zungenbrecher Boogie Woogie Bugle Boy , und es dauerte nicht lange, bis sie fast so gut im Chor singen konnten wie die Andrew Sisters. Außerdem schnitzte er eine Flöte aus einem hohlen Stück Zuckerrohr und spielte darauf zutiefst bewegende, sanfte Melodien in asymmetrischen Taktarten wie 7/4 oder 12/8. Pearl war so überwältigt, dass sie versuchte, diese Musik in Noten zu transkribieren, aber das war fast so

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