Bis ans Ende des Horizonts
stehenden Sonnenstrahlen hinein. Sie waren zu weit weg, als dass sie erkennen konnte, ob es sich um Eingeborene, Weiße oder Japaner handelte, deswegen rannte sie zurück, um ihr Fernglas zu holen. Während sie ihren Tornister danach durchwühlte, rief sie Wanipe wach und versuchte ihm warnend mitzuteilen, dass Unbekannte in der Nähe waren. Er setzte sich auf und war anfangs etwas verwirrt, doch dann verstand er, was sie ihm sagen wollte, und gemeinsam liefen sie zu dem Abgrund und ließen sich auf den Boden fallen, um nicht entdeckt zu werden.
Es dauerte einen kurzen Moment, bis Pearl die Gruppe wieder ausgemacht hatte. Und als sie sie in der Vergrößerung sah, fing ihr Herz wild an zu schlagen. Sie erkannte drei, dann vier Männer in Tarnuniform und mit schwarzen Baretten auf dem Kopf, deren Gesichter, ebenfalls zur Tarnung, mit Lehm beschmiert waren. Aber es wirkte wie ein Schock, als sie ein Stückchen voraus einen weiteren dunkelhäutigen Mann in der gleichen Uniform entdeckte, der ein Gewehr mit aufgepflanztem Bajonett auf der Schulter trug.
»Da sind sie!«, schrie sie. »Das ist die Einheit!« Sie sprang auf und reichte Wanipe das Fernglas. Im allerersten Augenblick war sie natürlich felsenfest davon überzeugt, dass es sich bei dem dunkelhäutigen Mann um James handeln musste – denn wer sollte es sonst sein, mit diesem spezifischen kaffeefarbenen Teint und in typisch australischer Ausrüstung? Sie war so aufgeputscht und begeistert, dass sie das Gefühl hatte zu schweben. Aber dann fiel ihr ein, dass der Farbige auch ein einheimischer Führer sein konnte, und sie besann sich wieder. Wanipe trug ebenfalls eine ganz ähnliche Uniform wie sie, und es gab sicher noch andere Einheimische dieser Art.
Wanipe stieß einen gedämpften Schrei aus und bedeutete ihr mit der Hand, sich wieder auf den Boden zu legen. Sie ließ sich auf den Bauch fallen. Er drückte ihr das Fernglas in die Hand und deutete auf eine der näher gelegenen terrassenförmigen Geländestufen in etwa dreihundert Metern Entfernung, über die ein Dunstschleier zog. Zuerst konnte sie nur eine Reihe Krüppelbäume erkennen, einige weiße Blumenbüschel sowie den Rumpf des verunglückten Flugzeugs. Doch kurz darauf entdeckte sie mit dem Fernglas einen Japaner in einer zerschlissenen Khakiuniform. Er hielt den Kopf vorgereckt und auf den Boden gerichtet, als ob er die Spur eines kleinen Tieres verfolgte. Anschließend entdeckte sie durch das Glas einen weiteren Mann, dann noch einen und noch einen, bis sich herausstellte, dass ungefähr zwanzig Japaner durch den höher gelegenen Teil des Abhangs schlichen. Sie waren klein und mager, und alle trugen Gewehre in der Hand. Geduckt bewegten sie sich in östlicher Richtung und verfolgten offenbar die Australier. Es war klar, dass sie dem australischen Trupp im Verhältnis eins zu drei überlegen waren. Der Abstand zwischen den beiden Gruppen betrug drei Geländestufen und gut fünfhundert Meter Luftlinie.
Entweder verfolgten die Japaner die Spur der Australier, oder es war purer Zufall, dass sich die beiden feindlichen Trupps hier so nahe waren. Wie auch immer, es war nur eine Frage der Zeit, bis die Aussies sich einem Überraschungsangriff ausgesetzt sahen, denn die Japaner hatten, genau wie Pearl und Wanipe, die bessere Übersicht. Ihr Herz schlug wie wild, und sie zitterte am ganzen Körper. Sie konnte nicht einmal mehr das Fernglas ruhig halten, und das Bild der Japaner vor der Linse begann zu wackeln wie bei einem Film, der nicht richtig in den Projektor eingelegt war. Sie drückte es Wanipe wieder in die Hand und rannte in die Höhle zurück, um das Walkie-Talkie zu holen. Unterwegs versuchte sie ihren Standort zu berechnen; sie schätzte, dass sie sich ungefähr sechs Kilometer östlich und neun Kilometer nördlich von dem Flugplatz von Mount Hagen befanden. Oder waren es neun Kilometer in östlicher und sechs Kilometer in nördlicher Richtung? Jedenfalls befanden sie sich ziemlich nahe am Gipfel, dessen war sie sich sicher. Sie versuchte, eine Verbindung mit dem Flugplatz herzustellen, aber es gab eine Menge Interferenzen, es knisterte und rauschte wie eine Meeresbrandung. Sie schrie in das Gerät, dass sie die vermisste Einheit lokalisiert hatte, dass eine japanische Kampfeinheit den Australiern auf den Fersen war und dass sie so schnell wie möglich Verstärkung brauchten. Das Rauschen im Funkgerät schwoll an und drang schmerzhaft in ihr Ohr.
»Wir brauchen dringend Verstärkung,
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