Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis auf die Haut

Bis auf die Haut

Titel: Bis auf die Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikki Gemmell
Vom Netzwerk:
zerronnen. Du erzählst Martha, du hättest bisher weder die Energie noch das Selbstvertrauen gehabt, um mit deinem Buch richtig in Gang zu kommen. Jetzt befürchtest du, dass du nie die Kurve kriegst, denn du hast zu lange damit gewartet.
    Du wirst schon eine Möglichkeit finden, wenn du nur den Willen dazu hast, lacht Martha. Schreib, als ob du im Sterben lägst, ich hab gehört, damit könne man sich hervorragend motivieren.
    Du starrst aus dem Autofenster. Der Sonnenuntergang blitzt durch den schwarzen Wald wie Risse im Vorhang. Cole hat sich immer noch nicht gemeldet. Du hast seine Eltern angerufen und ihnen auf den Anrufbeantworter gesprochen, es wäre dringend, dreimal. Du hast sie gebeten, ihm auszurichten, dass du ihn liebst. Sie haben nicht zurückgerufen. Du hast auch nicht wirklich damit gerechnet. Du bist alt genug und hast genug durchgemacht, um nicht mehr an die Erfüllung deiner Wünsche zu glauben. Außer, du erfüllst sie dir selbst.

115. Lektion Bey Regenwetter können wir uns in geschlossenen
Räumen ertüchtigen
    Du bist jetzt langsam wie eine Kuh und wirklich dick geworden und bewegst dich mit einem watschelnden Gang. Deine Brüste sind von Körbchengröße B zu E angeschwollen und in dieser Größe gibt es keine sexy BH s mehr, nicht einmal mehr welche in Schwarz. Du wirst dir immer unähnlicher, reihst dich in die Kategorie »schwangere Frau« ein. Der Verlust der Selbstachtung setzt dir plötzlich hart zu. Verlierst du als Mutter an Wert? Wirst du unsichtbar?
    Doch inmitten aller Ungewissheit regt sich die Kreativität. Du kehrst in die Bibliothek zurück, setzt dich an deinen Laptop, tippst Notizen ein. Dem Baby gefällt es nicht, wenn du arbeitest, es windet sich und strampelt, sobald du sitzt, als wollte es dich auffordern, he, konzentrier dich wieder auf
mich
. Aber das geht nicht, jedenfalls im Moment noch nicht. Du grübelst über die Frage nach, ob du dein Buch anonym veröffentlichen sollst: Das hat so einen schlechten Beigeschmack, das machen sonst nur Kidnapper, Mörder, Erpresser und Frauen, die etwas aus ihrem geheimen Leben enthüllen wollen; sich entblößen. Die Entscheidung, deinen Namen zurückzuhalten, gibt dir eine berauschende, kühne Freiheit: Nie könntest du schreiben, was du willst, wenn dein Name damit verbunden wäre, das hätte zu folgenschwere persönliche Konsequenzen. Du hast es darin zur Vollkommenheit gebracht, die Wahrheit in deinem Alltag zu unterdrücken – deine wirklichen Wünsche und Gefühle. Du bist sicher, dass deine elisabethanische Autorin unter ähnlichen Zwängen litt. Sonst hätte sie ihren Namen nicht verschwiegen.
    Dann ruft er an.
    Seine Stimme spricht auf den Anrufbeantworter, du bringst es nicht über dich abzuheben, hast Angst davor, was er sagen könnte, musst erst einmal deine Gedanken sammeln.
    In einer Woche kommt er wieder nach Hause.
    Eine Stimme ohne Liebe, geschäftsmäßig, kurz angebunden.
    Die Nacht, die dich umgibt, wird immer bitterer.
    Also keine Entschuldigung, keine Erklärung, kein Ausdruck der Hoffnung, dass es dir und seinem Kind gut geht.
    Eine Woche hast du, nicht mehr. Eine Woche, um dich zu erfrischen, damit du wieder in die Rolle der häuslichen Ehefrau zurückschlüpfen kannst, denn das ist es doch, was er will, oder?
    Und du auch. Eine Woche, in der du dich verwöhnen, völlig selbstsüchtig, willkürlich, genusssüchtig handeln kannst, die letzte Chance für eine lange Zeit. Wie oft haben in deiner Vergangenheit Liebhaber, die deine Anrufe an sich haben abprallen lassen, plötzlich aus heiterem Himmel bei dir angerufen und dich noch einmal zu einem schnellen Fick zurückgeholt? Und du hast immer, immer ja gesagt.
    Du willst leben wie diese Männer, nur ein einziges Mal.
    Kaum habe ich von Macht und Autorithät gesprochen, da deucht mir, ich höre einen Mann, der mich zu unterbrechen beginnet und meinen Worten Einhalt gebiethet mit jener Strafe, die den Frauen auferlegt ist: Dein Wille sey deinem Manne unterworfen, und er soll über dich herrschen.

116. Lektion Wie Übel gleich im Entstehen zu behandeln sind
    Der nächste Abend, ein Samstag. Halbherzig hockst du vor einem Dokumentarfilm über King Edward und Mrs. Simpson. Neben dir ein angebissener Schokoriegel, der dir zu knusprig, nicht cremig genug ist. Deine Stimmung so schwarz wie eine Nacht auf dem Land. Du schaltest den Fernseher aus.
    Coles Gleichgültigkeit, so verletzend.
    Du nimmst dein Buch wieder auf, du liest gerade Martha Gellhorn,
Einsam war ich

Weitere Kostenlose Bücher