Bis aufs Blut - Thriller
Wir hatten es ziemlich gescheucht, aber wir waren darauf angewiesen, dass es noch eine Weile durchhielt.
Wir hatten den Abendverkehr überschätzt und trafen ein wenig zu früh am Restaurant ein, also parkten wir und schlenderten wieder Richtung See. Bel zog ihre Cowboystiefel aus und ging barfuß über den Rasen. Sie sah okay aus, nicht müde oder gestresst, und konnte es kaum erwarten, dass etwas passierte. Aber sie schaffte es, einen nicht allzu ungeduldigen Eindruck zu machen.
Als wir zum Restaurant zurückkehrten, wollte sie einen Drink. Es war nach wie vor nichts von Clancy zu sehen, aber da es einen auf den Namen West reservierten Tisch gab, setzten wir uns. Er war für drei Personen gedeckt. Der Kellner fragte, ob wir eine Margarita wollten, während wir warteten. Bel nickte.
»Groß oder klein?«
»Groß«, sagte sie, bevor sie sich die Speisekarte vornahm. »Was ist der Unterschied zwischen all diesen Sachen?«, fragte sie mich. »Tacos, Burritos, Fajitas, Tortillas...?«
»Frag den Kellner.«
Stattdessen nahm sie ihm aber ihre sehr große Margarita ab und fuhr mit dem Finger über den Rand des Glases.
»Das ist Salz«, erklärte ich.
»Weiß ich«, sagte sie. Nachdem sie den Rand teilweise abgewischt hatte, nahm sie einen Probeschluck, dachte nach, trank dann einen weiteren Schluck.
Am Empfangstresen stand ein Mann. Als wir hereingekommen waren, hatte er die Liste der Gerichte zum Mitnehmen studiert und war jetzt noch immer damit beschäftigt. Ich stand auf und ging auf ihn zu.
»Warum setzen Sie sich nicht zu uns?«, fragte ich.
Er versuchte, ein verdutztes Gesicht zu machen, gab es dann aber auf und lächelte. »Haben Sie das schon die ganze Zeit gewusst?«
»Mehr oder weniger.«
Ich führte ihn an den Tisch. Sam Clancy war groß und mager und hatte ein leichenblasses Gesicht und tief liegende Augen. Er mochte Ende zwanzig, Anfang dreißig sein und trug sein schon schütteres braunes Haar in die Stirn gekämmt. Seiner Stimme nach hatte ich ihn älter geschätzt. Bevor er sich setzte, gab er Bel die Hand. Der Kellner kam, und Clancy nickte in Richtung ihres Drinks.
»Sieht gut aus«, sagte er. Der Kellner nickte und ging. »Als Undercoveragent würde ich also wohl nicht gerade Karriere machen, hm? Möchten Sie vorab ein bisschen Smalltalk machen, oder wollen wir uns gleich der Arbeit widmen?«
»Betrachten wir die Formalitäten als abgeschlossen«, antwortete Bel.
»In Ordnung. Sie wollen also wissen, was ich weiß. Schön, los geht’s. Jeremiah Provost hält sich in letzter Zeit, was die organisatorische Leitung der Disciples angeht, eher zurück. Wissen Sie ein bisschen was über seinen Background?«
»Reiche Familie«, erwiderte ich, »schlechter Collegedozent.«
»Keine üble Zusammenfassung. Außerdem völlig verrückt. Er hat schon jede Menge teure Kliniken mit seiner Anwesenheit beglückt. Keinerlei Anzeichen für harte Drogen oder Alkohol, also muss das andere Gründe haben, wie zum Beispiel schlichte psychische Labilität.«
»Wenn er sich, wie Sie sagen, zurückhält«, fragte Bel, »wer schmeißt dann den Laden?«
»Ums Geschäftliche kümmert sich ein gewisser Nathan. Ich weiß nicht mal, ob das sein Vor- oder Nachname ist, er wird einfach Nathan genannt. Sie wissen, dass ein paar Reporter von den Disciples zusammengeschlagen worden sind? Das war Nathan. Sie passten ihm nicht, also hat er sie verprügelt.«
»Dann ist er also durchaus auch fürs Praktische zu gebrauchen?«
»Er ist ein knallharter Hund. Dann gibt’s noch Alisha, Typ Magna Mater mit einem kleinen Schuss Militärjunta. Sie kümmert sich um die Humanressourcen, sorgt dafür, dass die tun, was zu tun ist.«
»Und das alles drüben auf der Olympic-Halbinsel?«
Clancy nickte. »Das schönste Fleckchen Erde auf dem ganzen Kontinent. Aber Provost ist nicht oft dort. Er führt neuerdings ein Howard-Hughes-Dasein in einem brandneuen Haus hoch oben auf dem Queen Anne Hill. Wahnsinnsaussicht auf die Stadt, Riesengrundstück und Swimmingpool. Gerüchten zufolge wollte Kiefer Sutherland das Haus mieten, als er für die Aufnahmen von Spurlos hier war. Wie auch immer, dort verbringt Provost den größten Teil seiner Zeit, umgeben von Telefonen, Faxgeräten und Computern, so dass er mit seinen Gefolgsleuten in Übersee Kontakt halten kann.«
»In Oban gab es ein Faxgerät«, erinnerte ich mich, »das wenigstens zwei Nummern aus Washington im Speicher hatte.«
»Olympic-Halbinsel und Queen Anne«, erklärte Clancy
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