Bittersuesser Verrat
noch nie jemand mit einer Waffe bedroht.« Sein Tonfall veränderte sich, wurde schärfer. »Leg den Bogen weg, wenn du am Leben bleiben willst.«
»Nicht«, flüsterte Eve.
Morley lächelte. »Der Junge hat zwei Pfeile übrig«, sagte er. »Du hast eine Handvoll Darts. Die Wasser-Pumpgun der kleinen Claire ist fast leer. Außerdem bin ich mir eurer strategischen Situation bewusst. Ich hasse es, mich zu wiederholen, aber ich sage es noch einmal: Legt die Waffen nieder, wenn ihr überleben wollt.«
»Wir haben keine andere Wahl«, sagte Shane und schluckte schwer. Er bückte sich und legte den Bogen auf den Betonboden, dann richtete er sich mit erhobenen Händen wieder auf.
Ich könnte sie noch einmal ordentlich nass machen, dachte Claire, aber sie wusste, dass das eine schreckliche Idee war. Sie zog sich den Riemen ihrer Spielzeugwaffe über den Kopf und ließ sie fallen. Sie klang leer.
»Shit«, sagte Eve und warf ihre Dartpfeile zu Boden. »Also gut. Was jetzt? Willst du einen auf Nosferatu machen, oder was? Wenn du einen Vampir aus mir machst, dann sorge ich dafür, dass du dich an deinen Eckzähnen verschluckst.«
Morley beäugte sie mit leicht gerunzelter Stirn. »Das glaube ich dir gern«, sagte er. »Aber ich habe kein Interesse daran, jemanden zu verwandeln. Ich suche Verbündete.«
»Verbündete?«, wiederholte Claire. »Ihr wolltet uns allesamt umbringen.«
»Es ging gar nicht um euch«, sagte er. »Das erste Mal wart ihr einfach nur mit Amelie da. Das nächste Mal, na ja, da habe ich jemandem einen Gefallen getan. Einem anderen Verbündeten übrigens.«
»Was wollt ihr?«
»Wir wollen Freiheit«, erklärte Morley. »Wir wollen so leben, wie es von Gott bestimmt ist. Ist das denn so schlimm?«
Claire war unangenehm überrascht, als sie ein paar Vampire in der Gruppe erkannte. »Jacob«, sagte sie. »Jacob Goldman?« Ein Mitglied aus Theo Goldmans Familie - Theo war eigentlich der letzte Vampir, von dem sie erwartet hätte, dass er in so etwas drinsteckte. Seine Enkel... die kannte sie nicht besonders gut.
Jacob sah weg. Seine Schwester hingegen, Claire kannte ihren Namen nicht, starrte sie an und streckte ihr Kinn vor, als wollte sie Claire davor warnen weiterzusprechen. Von ihrer letzten Begegnung mit den Goldmans wusste Claire, dass die jüngere Generation die Lebensanschauung ihrer Eltern immer mehr hasste; daher ergab es einen Sinn, dass sie hier in Morganville jemanden gefunden hatten, der ihre Einstellung teilte.
»Amelie und Oliver wollen etwas aus uns machen, das wir niemals waren«, sagte das Mädchen. »Zahme Tiger. Tanzbären. Zahnlose Löwen. Aber wir können das nicht sein. Die Vampire sind nicht die Betreuer der Menschheit. Tut mir leid, aber das wird niemals wahr werden, so sehr wir es auch wünschten.«
»Das trägt nicht gerade zu dieser Lasst-uns-Freunde-sein- Diskussion bei«, sagte Eve. »Ich mein ja nur.«
Morley stieß einen ungeduldigen Seufzer aus und schaute sich zu den anderen Vampiren um. »Sicherlich wollt ihr, dass wir aus eurer Stadt verschwinden«, sagte er. »So gern wir auch gehen würden - Amelie erlaubt es uns nicht. Wir haben zwei Möglichkeiten; Morganville zerstören oder Amelie vernichten. Morganville zu zerstören, erscheint in vielerlei Hinsicht die einfachere Lösung zu sein.«
Langsam fiel der Groschen. »Ihr arbeitet mit Kim zusammen. Sie hat das mit den Kameras vorgeschlagen, nicht wahr?«
»Es schien eine gute Möglichkeit, das zu erreichen, was sie wollte, und das, was wir wollten«, räumte er ein. »Das Ende Morganvilles. Der Anfang ihrer Karriere. Bespitzelung ist zugegebenermaßen eine unfeine Methode, dies zu erreichen, aber wahrscheinlich ist es weniger verwerflich als Mord.«
»Bis die Kamera plötzlich auf dich gerichtet war«, schoss Eve zurück.
»Berechtigter Einwand.« Morley neigte leicht den Kopf in ihre Richtung.
»Du hast die Kameras für sie in Vamptown platziert.«
»Ich?« Seine buschigen Augenbrauen verschwanden unter seinem verworrenen Haar. »Nein. Ich bin dort ja wohl kaum willkommen, wie ihr wisst. Weder ich noch meine Leute. Ich weiß nicht, wie sie das geschafft hat.«
»Dann lass uns herausfinden, wer es getan hat.«
»Wisst ihr, ich brauche nicht mit euch zu verhandeln. Ich könnte euch einfach unter meinen Gefolgsleuten als Belohnung verteilen, wenn ihr das bevorzugt.«
»Nein« sagte Jacob Goldman. Er wechselte einen Blick mit seiner Schwester. Es wirkte wie ein stummer Streit, dann trat er vor. »Nicht
Weitere Kostenlose Bücher