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Black Box

Black Box

Titel: Black Box Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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versprechen. Er hat gesagt, dass sie einen da drin zur Schwuchtel machen. Die ganzen Nigger aus Boston, die sich wie Schwuchteln benehmen und sich gegen dich zusammenrotten. Dann ist er verschwunden, und keiner weiß, was mit ihm passiert ist. Wenn es ihm gut gehn würde, dann hätte er sich doch gemeldet! Wir waren richtig dicke, er und ich. Und ich kenn meinen Bruder – der spielt für niemand die Schwuchtel.« Tränen liefen ihm über die Wangen. Er fuhr sich mit dem Ärmel seines Sweatshirts über das Gesicht und durchbohrte mich dann mit einem grimmigen, wässrigen Blick. »Ich geh nicht wegen so einem blöden Unfall in den Knast, für den ich noch nicht mal was kann. Aus mir macht keiner einen Homo. Nicht noch mal! Dieser stinkende Scheißkerl, dieser verdammte Schweinehund aus Tennessee, mit dem meine Mutter …« Er verstummte, wandte den Blick ab, schnappte nach Luft.
    Ich sagte nichts. Der Anblick von Eddy Prior mit Tränen im Gesicht nahm mir jedes Argument, das dafür gesprachen hätte, zur Polizei zu gehen – er brachte mich endgültig zum Verstummen.
    »Wir können das nicht mehr rückgängig machen«, fuhr Eddy mit leiser, zitternder Stimme fort. »Es ist einfach passiert. Das war ein bescheuerter Unfall. Ein dummer Abpraller. Nicht unsere Schuld. Wer auch immer da verletzt wurde, wir werden damit leben müssen. Wir müssen nur die Klappe halten. Niemand wird jemals herausfinden, dass wir irgendwas damit zu tun hatten. Die Ziegel hab ich unter der Brücke gefunden. Da hatten sich ein paar gelockert, die hätten ebenso gut von selbst runterfallen können. Außer es hat uns Jemand gesehen. Wenn du aber wirklich jemanden anrufen willst, dann sag mir vorher Bescheid … Ich will nicht so enden wie mein Bruder.«
    Es dauerte eine ganze Weile, bis ich wieder durchatmen konnte, um etwas zu sagen. »Okay, vergiss es. Wir gucken jetzt Fernsehen, um erst mal runterzukommen.«
    Wir zogen unsere restlichen Winterklamotten aus und gingen in die Küche – und fast wäre ich in Morris reingelaufen, der vor der offenen Kellertür stand, mit einer Rolle braunem Paketband in der Hand. Er hatte die Augen weit aufgerissen und hielt mit dümmlichem Gesichtsdruck den Kopf leicht schief, als würde er irgendwelchen sphärischen Klängen lauschen.
    Eddy stieß mich mit dem Ellenbogen beiseite, packte Morris am Kragen seines schwarzen Cordpullis und knallte ihn gegen die Wand. Morris riss die Augen noch weiter auf. Völlig sprachlos und verwirrt starrte er Eddy in das hochrote Gesicht. Ich packte Eddy am Handgelenk und bemühte mich, seine Finger aufzubekommen, doch ich konnte seinen Griff nicht lösen.
    »Hast du unser Gespräch belauscht, du kleiner Schwachkopf?«
    »Eddy … Eddy … Es spielt keine Rolle, was er gehört hat. Vergiss es. Er erzählt’s eh niemandem. Lass ihn in Ruhe«, sagte ich.
    Eddy ließ ihn los, als wäre nichts geschehen. Morris sah ihn an und blinzelte. Der Mund stand ihm weit offen. Nach einem kurzen Seitenblick auf mich – was sollte das nun wieder? –, zuckte er mit den Achseln. »Ich musste den Kraken auseinandernehmen«, sagte er. »Ich fand es zwar toll, wie die ganzen Arme zur Mitte geführt haben. Wie Speichen an einem Rad. Aber egal, wo man reinklettert, man weiß immer, wo sie enden. Es macht mehr Spaß, wenn man das vorher nicht weiß. Das ist nicht so einfach, aber es macht mehr Spaß. Mir sind ein paar neue Ideen gekommen. Dieses Mal fange ich in der Mitte an und arbeite mich langsam nach außen vor, wie die Spinnen.«
    »Stark«, erwiderte ich. »Dann mal los!«
    »Dafür werd ich mehr Kisten brauchen als jemals zuvor. Wartet nur ab!«
    »Wir zählen jetzt schon die Minuten, was, Eddy?«
    »Und ob«, sagte er.
    »Ich bin unten, falls jemand nach mir fragt.« Morris schlüpfte durch den schmalen Spalt zwischen Eddy und mir und stapfte die Kellertreppe hinunter.
    Wir gingen ins Wohnzimmer hinüber. Ich schaltete den Fernseher ein, aber ich konnte mich nicht darauf konzentrieren. Ich kam mir vor, als wäre ich ganz weit weg von mir, als stünde ich am einen Ende eines langen Korridors und könnte am anderen Ende Eddy und mir zusehen, wie wir nebeneinander auf dem Sofa saßen. Doch das war nicht ich – das war eine hohle Wachsfigur, die nur so aussah wie ich.
    »Tut mir leid, dass ich wegen deinem Bruder so ausgerastet bin«, sagte Eddy nach einer Weile.
    Ich wollte, dass er ging, wollte allein sein und mich in meinem ruhigen, gemütlichen Zimmer, auf meinem Bett einigeln. Aber ich

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