Black CATS - Parrish, L: Black CATS
nachdem die Website offline ist und die Ermittlung sich nicht mehr gegen die Betreiber, sondern gegen die Nutzer wendet ?«
Sie blieb ihm die Antwort schuldig. An dieser Stelle wurde das Eis besonders dünn.
»Hab schon kapiert. Um Verzeihung zu bitten ist einfacher, als um Erlaubnis zu fragen ?«
»Etwas in der Art .« Sie flehte Brandon nicht an, sie zu decken. Zwar wusste sie nicht genau, ob sie etwas Falsches getan hatte. Aber wenn, dann wollte sie ihn da nicht mit hineinziehen.
»Also gut. Ich nehme an, du weißt, was du tust. Aber pass bitte auf, dass dir das nicht zu nahe geht .« Sein hübsches Gesicht bekam einen noch ernsteren Ausdruck, und er fuhr fort: »Versprich mir, dass du damit aufhörst, sobald dir diese Sache den Schlaf raubt .«
Sie stieß ein kurzes, bitteres Lachen aus. »Glaub mir, Brandon, du willst gar nicht wissen, was mir schon alles den Schlaf raubt .«
Dann lief sie weiter und gab ihm wortlos zu verstehen, dass das Thema für sie beendet war. Obwohl Lily Brandons Anteilnahme zu schätzen wusste und begriff, dass er sich aufrichtig Sorgen um sie machte, schlug sie seine Warnung in den Wind. Er hatte nicht das durchgemacht, was sie durchgemacht hatte, hatte nicht erlebt, was sie erlebt hatte. So etwas widerfuhr nur wenigen.
Es geht mir gut. Solange ich meinen Job habe, geht es mir gut.
Ja. Der Job. Die Arbeit ließ sie weiter vorwärtsgehen, Schritt für Schritt, einen Fall nach dem anderen, von einem Perversling zum nächsten.
Irgendwann würde es in ihrem Leben wieder mehr geben als das. Es musste einfach. Es hieß, dass auf jeden Albtraum ein neuer Sonnenaufgang folgte, und daran glaubte Lily Fletcher.
Sie hatte keine andere Wahl. Denn Gott mochte ihr beistehen, wenn es nicht stimmte.
Sechzehn Jahre alt – und tot.
Mit sechzehn Jahren ermordet.
Als ihr der Special Agent vom FBI in ihrer Küche diese Nachricht mitteilte, verschlug es Sam einen Moment lang die Sprache. Ihr stockte der Atem. Sie konnte nichts mehr hören, nichts mehr denken.
Sie stand auf und ging wie benommen zum Spülbecken. Dann beugte sie sich vor, drehte den Hahn auf und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht – sie musste sich zusammenreißen, musste wieder klare Gedanken fassen. Dem Mann, dem trotz seiner professionellen Miene sein Mitgefühl anzumerken war, kehrte sie den Rücken zu. Er wusste, dass sie Ryan Smith kaum gekannt hatte. Dennoch wusste er auch, dass sein Tod sie zutiefst erschütterte. Entweder besaß er eine erstaunliche Menschenkenntnis – oder Sam konnte ihre Gefühle nur schlecht verbergen.
»Geht es Ihnen gut ?« , ertönte seine Stimme hinter ihr.
Sam nickte, griff schweigend nach einem Küchentuch und trocknete sich das Gesicht ab. Das kalte Wasser hatte sie aus ihrem Schockzustand herausgerissen, aber sie konnte sich noch nicht umdrehen. Sie brauchte ein bisschen Zeit, einen kurzen Moment oder zwei, in denen sie sich der Vorstellung hingeben konnte, die Nachricht von dem Tod eines netten Jungen, den sie gekannt hatte, wäre nur ein böser Traum gewesen.
Dann fiel ihr etwas ein. »Wilmington .« Sie fuhr herum. »Im Internet habe ich eine Meldung darüber gesehen, dass zwei vermisste Teenager aus Delaware in einem zugefrorenen Teich gefunden wurden .«
Mit einem kurzen Nicken bestätigte er ihren Verdacht.
Sie schauderte. Was für ein schrecklicher Tod! »Wieso sind Sie so sicher, dass er nicht einfach nur ins Eis eingebrochen ist? Woher wissen Sie, dass er ermordet wurde ?«
»Glauben Sie mir einfach .«
Das waren Worte, die sie nie mehr aus dem Munde eines Mannes hatte hören wollen. »Ich kenne Sie ja nicht einmal !«
»Ich meine, glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, dass ein Unfall völlig ausgeschlossen ist .« Sein Kinn zuckte, als er sich widerwillig eine Erklärung abrang: »Sie waren beide gefesselt .«
Für einen Augenblick schloss sie die Augen, während sich ein flaues Gefühl in ihrem Magen breitmachte und sich ihr die Kehle zuschnürte.
»Beide « , murmelte Sam und versuchte zu begreifen, was er gerade gesagt hatte. »Hat es die beiden zufällig getroffen? Oder kannte Ryan den anderen ?«
»Es war sein bester Freund .«
Zwei Teenager. Das wurde ja immer schlimmer. »Sein Freund – aber nicht der Freund, über den er mit mir gesprochen hat? Nicht der, der auf die Betrugs-Mail hereingefallen ist ?«
Agent Lambert nickte. In seinem Blick lag immer noch Mitgefühl. Und plötzlich begriff sie, weswegen er hier war. Warum er ihr diese Fragen stellte.
Weitere Kostenlose Bücher