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Blackmail: Thriller (German Edition)

Blackmail: Thriller (German Edition)

Titel: Blackmail: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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beginnt er schließlich. »Ich werde heute nicht viel von eurer Zeit in Anspruch nehmen. Und ich werde euch nicht belügen. Ich habe nicht vor, Platituden von mir zu geben, die sich in einer Predigtensammlung vielleichtgut anhören, die aber keine trauernde Seele oder einen betrübten Geist zu trösten vermögen.«
    Reverend Herrick blickt Reverend Mills nicht an, als er diese Worte von sich gibt, doch es ist, als gelten sie ihm. Ich spüre, dass er die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Anwesenden besitzt.
    »Der unerwartete Tod von Menschen wie Kate Townsend oder Chris Vogel ist die schwerste Probe, die einem Christen auferlegt werden kann. Genauso wie Sie bin ich sprachlos angesichts dieser Tragödien. Mein Herz ist gebrochen. Und im Angesicht solch tragischer Todesfälle ist die Bibel merkwürdig still. Wir blättern in der Heiligen Schrift auf der Suche nach Trost, finden jedoch wenig. Der Tod ist ein Mysterium, so wie die Geburt. Wir glauben, die Geburt zu begreifen, weil wir wissen, was nach ihr kommt. Das Leben. Aber wissen wir, was vor der Geburt war? Nein. Wir glauben, dass die Seelen von Gott stammen, doch mehr wissen wir nicht. Wie steht es mit dem Tod? Für uns Christen ist der Tod jener Augenblick, an dem wir uns von unserer irdischen Mühsal befreien und zu Gott zurückkehren. Mehr aber wissen wir nicht.«
    Reverend Herrick schweigt. Die Luft in der Halle steht. Niemand wagt sich zu rühren.
    »Als ich gestern Abend im Bett lag«, fährt er fort, »war ich von einer einzigen Frage erfüllt. Warum? Warum wurde dieses wunderschöne junge Mädchen so früh von uns genommen? Hat Gott einen Plan, der ihren Tod erfordert? Die Bibel sagt uns nichts darüber. Was sagt die Bibel? Jesus hat das Wort gesprochen: ›Niemand kann zu mir kommen, es sei denn, der Vater, der mich gesandt hat, schickt nach ihm.‹ Mit anderen Worten, nur durch den Tod können wir zu Gott zurückkehren. Doch ist damit meine Frage beantwortet? Warum wurden Kate und Chris nach achtzehn Jahren teils strenger, teils freudiger Vorbereitung auf das Leben von uns genommen? Wenn ihnen kein ganzes Leben gewährt werden sollte, warum wurden sie dann überhaupt geboren?«
    Einige der Eltern regen sich bei diesen Worten, als hätte Reverend Herrick ein Gebiet betreten, das man in Gegenwart von Kindern besser auf sich beruhen lässt. Doch er hat die Kids gefesselt, ich kann es spüren.
    »Doch hier finden wir vielleicht ein wenig Trost«, sagt Herrick. »Weil ihr, weil Sie und ich nicht die Menschen wären, die wir sind, nicht die Seelen, die wir sind, hätten wir Kate und Chris nicht gekannt. Diese beiden jungen Menschen brachten Freude in mein Herz und in eure Herzen. Es war eine Offenbarung, Chris auf den Spielfeldern und Plätzen dieses Staates zu beobachten. Und zu sehen, wie Kate bei Hilfsmissionen mit Kindern gearbeitet hat, erinnerte mich an Audrey Hepburn und die verhungernden Kinder in Afrika. Kate selbst jedoch hat sich nicht so gesehen. Stattdessen hat sie sich gefragt, ob sie den Idealen gerecht wird, die ihre Mutter und diese Gemeinde ihr anerzogen haben.«
    Herrick breitet die Arme aus, als wollte er die ganze Schule umfassen. »Die Menschen und diese Institution wären nicht das, was sie heute sind, wären nicht Kate und Chris durch diese Hallen gewandelt. Ihr beider Leben hatte einen Sinn – so wie ihr beider Tod. Weil wir alle in den dunklen Stunden der vergangenen drei Tage gezwungen waren, uns einer unausweichlichen Wahrheit zu stellen: Mitten im Leben sind wir des Todes. Ihr hört diese Worte häufig, doch was bedeuten sie tatsächlich? Ich sage es euch. ›Lebe jeden Tag, als wäre es dein letzter, denn eines Tages hast du sicherlich recht.‹ Für einen Christen bedeutet dies, den eigenen Glauben auszuleben. Es bedeutet, dem Vorbild Christi zu folgen.«
    Gerade denke ich, Herrick begeht den gleichen Fehler wie Mills, indem er zu missionieren versucht, als er mich mit einer weiteren Wendung überrascht. »Was ist der Zweck dieses Gedächtnisgottesdienstes?«, fragt er. »Was ist der Zweck der Begräbnisse, zu denen wir alle in wenigen Minuten gehen werden? Die Antwort wird euch möglicherweise überraschen. Denn obwohl die Worte dieser Rituale sanft und freundlichsind, ist unsere Absicht grimmig. Wir erheben unsere Fäuste gegen den Tod und schütteln sie! Wir gedenken Jesu Christi, der den Tod erlitten, der gegen ihn gekämpft und letztendlich über ihn triumphiert hat!«
    Reverend Herrick nimmt ein Taschentuch hervor und wischt

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