Blackmail: Thriller (German Edition)
jemand mit entsprechenden Kenntnissen bestimmt nicht sorglos hätte herumliegen lassen. An einer Wand waren Kisten mit Bleiplatten gestapelt, zusammen mit Rollen von Kupferdraht. Auf dem Karren, den ich bei meinem ersten Erwachen im Labor gesehen hatte, stand ein angeschlossenes automatisches Ladegerät.
Ich zwang mich, ruhig zu bleiben und methodisch vorzugehen.
Zehn Minuten später hatte ich inmitten von Plastikflaschen mit Bodenreiniger auch zwei Glasflaschen gefunden. Als ich die Korkstopfen entfernte, war nichts zu riechen, doch ich hatte das Gefühl, dass die trübe Flüssigkeit am Boden einer der Flaschen kein Wasser war. Um das zu überprüfen, ließ ich ein Stück Draht in die Flasche fallen, das ich am Boden gefunden hatte.
Der Draht begann zu schäumen. Fünf Minuten später war er verschwunden.
Schwefelsäure.
Das Vorhandensein von Säure im Labor war keine große Überraschung. Säure ist einer der beiden Hauptbestandteile von Bleiakkumulatoren – dem wichtigsten Produkt der Triton Battery Corporation. Doch wie konnte ich die Schwefelsäure zu meinem Nutzen einsetzen? Wenn ich sie Cyrus in die Augen schleuderte, würde sie intensive Schmerzen verursachen, doch das würde ihn nicht daran hindern, mich zu erschießen. Starke Säure konnte sich durch das Metall des Türschlosses fressen, doch eine flüchtige Prüfung ergab, dass die Tür durch weitere Verriegelungsbolzen im Rahmen – zusätzlich zum Bolzen im eigentlichen Schloss – gesichert war. Damit die Säure sich durch diese Bolzen fressen könnte, müsste ich sie wieder undwieder in den schmalen Spalt zwischen Tür und Rahmen spritzen. Ich hatte nicht genügend Säure, um das zu bewerkstelligen, und selbst wenn, hätte draußen vielleicht jemand bemerkt, was ich tat. Am Ende benutzte ich die Säure, um mich mit ihrer Hilfe weiter in dem ehemaligen Labor umzusehen.
Die Schränke an der Wand, die Cyrus als Fernsehstand benutzte, waren mit Vorhängeschlössern gesichert. Wenn die Schränke gesichert waren, überlegte ich, dann musste dort drin etwas Schützenswertes lagern. Die Frage war, enthielten sie etwas, das Triton Battery dort gelagert hatte, oder irgendwelche Dinge von Cyrus?
Ich hielt die Glasflasche über ein Vorhängeschloss und tropfte vorsichtig Schwefelsäure auf den gebogenen Metallbügel. Das Metall zischte und warf Blasen. Es dauerte acht Minuten, bis die Säure sich durch den Bügel gefressen hatte. Als es so weit war, bog ich das Schloss auf und öffnete die Schranktür.
Im Innern waren mehrere Bleisäurebatterien in einer Art Metallregal gestapelt. Die Batterien waren in Serie miteinander verdrahtet. Das Vorhandensein der Batterien in diesem Raum war ein Verstoß gegen die Bundesgesetze bezüglich des Lagerns von gefährlichen Materialien, doch wie Quentin Avery sicher am besten wusste, wurden solche Gesetze häufiger gebrochen als befolgt. Schon der Gedanke an Gesetze ließ mich kichern, so lächerlich irrelevant waren sie in meinem Streben nach Überleben. Doch was war mit den Batterien? Konnten sie mir nützlich sein? Anfangs zweifelte ich daran. Schließlich waren sie nach zwei Jahren Lagerung ohne Zweifel leer. Dann fiel mir der automatische Lader auf dem elektrischen Karren ein. Wenn die Batterien immer noch Bleiplatten und Säure enthielten, konnte ich sie auch wieder aufladen. Ich öffnete die Verschlusskappen von zwei Batterien und stellte fest, dass sich Flüssigkeit darin befand.
Ich setzte mich auf die Kante von Cyrus’ Fernsehsessel und versuchte methodisch zu denken. Ich fühlte mich, als wäre ich eingeschlafen und in einer Episode von McGyver aufgewacht.Mit dem Unterschied, dass ich nicht McGyvers Wissen um all die technischen Dinge besaß. Andererseits hatte ich einen ganzen Sommer lang in dieser Fabrik gearbeitet. Auf dem Ladedeck, zugegeben, doch ich hatte mit einer Menge anderer Leute mit anderen Jobs geredet. Irgendetwas kitzelte mein Unterbewusstsein. Was? Batterien konnten gefährlich sein, sicher. Jeder, der bei Triton arbeitete, wusste das. Doch es war nicht die Säure, die gefährlich war, wie die meisten Leute wahrscheinlich glaubten. Säure konnte einen verätzen, doch sie konnte nicht explodieren. Sie war nicht einmal entzündlich. Nein, die Explosionsgefahr rührte von … Wasserstoff! Sie rührte von Wasserstoff her!
Jeder Bleiakkumulator auf der Welt erzeugt beim Laden Wasserstoffgas. Normalerweise nur in kleinen Mengen, die im geschlossenen Gehäuse bleiben. Doch wegen des geringen
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