Blinde Verführung (German Edition)
Dorschfilet.“
„Klingt gut, aber Fisch nehme ich lieber nicht. Ich habe schon Probleme mit Gräten, wenn ich etwas sehen kann“, erwiderte Marlene.
„Ja, das kann ich verstehen. Für Anfänger ist das Gratin nicht schlecht. Das kann man mit dem Löffel essen. Oder wie wäre es mit einem Steak?“
„Kelly hat uns heute Mittag schon mit Filet Mignon vollgestopft, aber das Gratin klingt gut.“
Sie bestellten und tasteten dann über das Tischtuch, bis sich ihre Finger berührten.
„Das ist so irre“, meinte Marlene und fuhr immer wieder die Konturen von Patricks Hand nach. „Ich weiß , wie du dich anfühlst, aber trotzdem ist es jetzt ganz anders.“
„Stell dir erst den Sex vor“, sagte Patrick lasziv. „Nichts sehen, nur fühlen … man verlässt sich ganz auf Geruch, Gehör, Geschmack und Gefühl.“
„Habe ich noch nie ausprobiert …“ Marlene fühlte Wärme durch sich pulsieren, „aber es klingt aufregend.“
„Ist es auch, Miss Marlene.“ Sein Daumen streichelte beinahe besitzergreifend über ihren Puls. Sofort beschleunigte sich ihr Atem, was er mit einem festen Kuss auf ihre Handfläche honorierte.
Ihre Getränke und die Vorspeisen kamen, und damit Marlenes erster Versuch, völlig blind zu essen, und es auch durchzustehen.
„Salat ist furchtbar“, beschwerte sie sich. „Wie machst du das bloß?“
„Ich zerhacke ihn, bis ich das Grünzeug auf die Gabel schieben kann“, lachte er. „Schneide einfach kreuz und quer, bis er dir nicht mehr runterrutscht.“
Marlene war zu gleichen Teilen frustriert und amüsiert, aber letztendlich schaffte sie es, ihren Salat aufzuessen. „Meine Güte, wie hältst du das aus? Nur Suppe kann noch schlimmer sein!“
„Das habe ich auch gedacht. Und Recht behalten.“
Bei der Hauptspeise ging es wesentlich besser, vor allem natürlich, weil Marlenes Gratin tatsächlich löffeltauglich war. Es störte sie ein bisschen, dass sie Patrick nicht ansehen und somit seine Mimik und Gestik einschätzen konnte, doch sie stellte fest, dass sie es durch besseres Zuhören wettmachte. Sie schnappte kleine Nuancen in seiner Stimme auf und lauschte ganz genau darauf, was er gerade tat. Eben strich er seine Serviette glatt, dann stieß er mit einem Finger leicht an sein Weinglas.
„Du bist so ruhig“, sagte er unvermittelt. „Ist alles in Ordnung?“
„Ja. Ich höre dir nur gern zu.“ Sie senkte verlegen den Blick. „Du hast eine schöne Stimme. Das ist mir vorher gar nicht so aufgefallen.“
„Dankeschön.“ Sie konnte beinahe sein Lächeln hören, als er sagte: „Ich höre dir auch gern zu. Ich wünschte, du würdest mir ein bisschen mehr über dich erzählen.“
„Was willst du denn wissen?“
„Erzähl mir von deiner Ausbildung. Warum wolltest du Konditorin werden? Und wie hast du es in so kurzer Zeit geschafft, so gut zu werden?“
Also erzählte Marlene von der Familientradition der Frauen in ihrer Familie, Rezepte aus aller Welt zu sammeln, zu verändern und zu perfektionieren. Soweit sie sich erinnern konnte, waren immer alle Bäckerinnen oder Konditorinnen gewesen, ob nun beruflich oder privat.
Patrick stellte viele interessante Fragen, gratulierte zu gewonnenen Preisen und ließ sie sich die ganze Zeit über wirklich erfolgreich fühlen. Nicht nur beruflich, auch menschlich. Denn in seiner Gegenwart hatte sie tatsächlich das Gefühl, andere Menschen glücklich machen zu können, und das war in ihren Augen das schönste Kompliment, das es geben konnte.
Das Dessert ließen sie ausfallen, und auch auf Kaffee konnte Marlene heute verzichten. Sie verließen das Restaurant satt und zufrieden und bummelten zum Abschluss am Fluss unter grünen Baumkronen entlang. Goldenes Licht wärmte ihre Gesichter und ebenso Marlenes träumendes Herz.
An einer besonders hübschen Uferböschung blieben sie stehen. Patrick nahm Marlenes Hände in seine und streichelte ihre Fingerknöchel. „Bleibst du morgen Nacht bei mir?“, fragte er leise.
„Sehr gerne“, antwortete sie ohne zu zögern. „Solange Heidi nicht alleine nach Hause gehen muss.“
„Keine Sorge. Meine Freunde sind Gentlemen. Sie wissen, wie viel es mir bedeutet, Zeit mit dir allein zu verbringen und springen bestimmt gerne ein.“
„Das wissen sie?“, flüsterte Marlene. Ihr Hals wurde eng. „So lange kennen wir uns doch noch nicht.“
„Sie sind vielleicht manchmal kindisch, aber ganz bestimmt nicht blind oder blöd.“ Er neigte sich herab und küsste Marlenes Schläfe.
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