Blütenrausch (German Edition)
sie eine Art Notizbuch, mit eben dieser Liste angeblicher Liebschaften ihres Mannes. Glauben Sie, die Polizei kann mit dieser Information etwas anfangen?«
» Das werden wir sehen. Wenn diese Geschichte etwas mit dem Tod Natalies zu tun hat, dann werden sie es herausfinden. Kommissar Schulze ist ein sehr fähiger Polizist. Der Fall ist in sehr guten Händen.«
Absi chtlich betonte ich das Wort "sehr" damit sie die zwei letzten Sätze ja nicht vergaß. Früher oder später würde Schulze ihr einen Besuch abstatten, und sollte er in Erfahrung bringen, dass ich vor ihm hier war, könnten diese Sätze ‒ sofern sie sie ins Spiel brachte ‒ seine Wut zumindest etwas besänftigen.
»Natalie erwähnte, nicht das Richtige gemacht zu haben. Schauen Sie.« Ich reichte ihr den Brief und zeigte die Stelle, in der der Satz stand. »Wissen Sie, was sie damit meinte?«
H annah las für sich die besagte Stelle und legte dann den Brief auf ihren Schoß. »Wissen Sie, Natalie liebte David, keine Frage. Sie verstanden sich gut, teilten die gleichen Interessen, lebten in der gleichen Welt und hatten sicher Spaß miteinander. Aber die große Liebe war es nicht. Die große Liebe war jemand anderes. Und sie hatte sie für David geopfert. Daher meinte sie, wieder nicht das Richtige zu machen, wenn sie David verließe. Für sie war es nicht das Richtige, wieder jemanden im Stich zu lassen, sein Herz zu brechen. Und dann waren da noch ihre Eltern: Es wäre ein Skandal gewesen, wenn sie die Hochzeit abgeblasen hätte. So etwas tut man in diesen Kreisen nicht. Dann lieber eine Zeit lang zusammenbleiben und dann sich in aller Stille irgendwann scheiden lassen.«
» Und das Erbe wäre damit nicht gefährdet«, entglitt es mir.
» Wie bitte? Was meinen Sie damit?«
» Nun ja, wenn sie den Falschen geheiratet hätte, wäre sie ihr Erbe los, ist doch so, oder?«
» Wer hat Ihnen so etwas erzählt?«
Ich erwägte für einen Moment , den Namen meines Informanten zu verraten, ließ den Gedanken aber schnell fallen. Was, wenn Sophia und sie sich kannten? Wahrscheinlich war das ja auch der Fall, und wenn sie ein gutes Verhältnis pflegten, könnte diese Bemerkung einen Keil zwischen die beiden treiben. Außerdem hatte ich zu viel gesagt. Woher sollte eine Hochzeitsplanerin auch so etwas wissen?
Bevor die Gedanken in ihrem Kopf Achterbahn fuhren, versuchte ich die Lage mit gespielter Professionalität zu retten: »Niemand. Nur kommt das bei solchen Konstellationen häufig vor. Die Eltern wünschen sich die perfekten Schwiegerkinder: gebildet, vermögend, den gleichen Kreisen angehörig ... und wenn sich der Betroffene für jemand entscheidet, der nicht diese Erwartungen erfüllt, bleibt den Eltern nichts anderes übrig, als mit Enterbung zu drohen. So zumindest ist die Erfahrung, die ich gemacht habe. Ich habe sehr viele Hochzeiten betreut, und glauben Sie mir, dies hier wäre nicht der erste Fall, in dem das passiert.«
» Und glauben Sie mir: Das hier ist keineswegs einer dieser Fälle. Frau und Herr Pot liebten Natalie über alles und würden sie nie unter solch einen Druck setzen. Sie wären wahrscheinlich nicht glücklich über ihre Entscheidung gewesen, aber sie hätten sie früher oder später akzeptiert.«
» Warum hat Natalie dann ihre große Liebe für David geopfert?«
Sophia s Version kenne ich schon, brenne aber darauf deine Darstellung zu hören.
» Weil sie wusste, dass die Beziehung mit Tim ‒ so hieß ihre große Liebe ‒ zum Scheitern verurteilt war. Sie waren einfach zu verschieden.«
» Gegensätze ziehen sich doch bekanntlich an.«
» Ja, aber wie sollte sie ihren Kinder erklären, warum Papa jeden Tag zu Hause an irgendwelchen Tonfiguren oder an Bildern arbeitete, die er nicht an den Mann bringen konnte? Wie sollte sie ihnen erklären, dass sie diejenige war, die das Geld nach Hause brachte? Oder wie sollte sie ihnen beibringen, dass ihr Vater nicht zu den Festen kam, zu denen sie eingeladen wurden, weil er der Meinung war, sie wären alle zu versnobt?«
» Das hat sie Ihnen erzählt?«
» Ja, so in etwa. Sie hatte Angst, dass sich ihrer beider Herkunft und Gewohnheiten auf die Dauer nicht vertragen würden, und deshalb beschloss sie, sich von ihm zu trennen.«
Sophia s Variante der Geschichte hatte sich definitiv anders angehört, und ich war mir sicher, sie entsprach eher der Wahrheit als die, die ich jetzt zu hören bekam. Diese Geschichte käme im Verein der Reichen auf jeden Fall besser an, aber die
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