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Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Titel: Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Sterben anhand des chaotischen Durcheinanders zu rekonstruieren versuche, komme ich zu dem Schluss, dass sie irgendwann in den frühen Morgenstunden an schweren Symptomen gelitten haben muss. Deshalb hat sie verzweifelt nach irgendetwas gesucht, um die Angst und die akuten körperlichen Beschwerden zu lindern. Ich stelle mir vor, wie sie ihre Handtasche ausgekippt und irgendein Medikament gegen ihre Qualen gesucht hat. Danach ist sie offenbar ins Bad gelaufen, um etwas zu finden, das ihr Erlösung verschafft. In ihrer Panik hat sie Gegenstände von den Regalen gefegt. Und ich war nicht für sie da.
    Ich bin nicht geblieben, sondern habe fluchtartig das Haus verlassen. In meiner Erleichterung, der Situation zu entrinnen, habe ich lieber draußen in der Dunkelheit unter einem Baum darauf gewartet, dass Marino mich abholt. Ständig muss ich daran denken, dass ich die Warnsignale vielleicht richtig gedeutet hätte, wenn ich nicht so gekränkt und wütend gewesen wäre. Möglicherweise hätte ich bemerkt, dass etwas im Argen lag und dass Jaime nicht einfach nur betrunken war. Ich wollte Lucy verteidigen. Sie war schon immer meine Schwachstelle. Und nun ist die Frau tot, die sie geliebt hat, ja, die vielleicht sogar die Liebe ihres Lebens gewesen ist.
    »Darf ich?«, bitte ich Chang um die Erlaubnis, mich umzuschauen und Dinge zur Hand zu nehmen, während er fotografiert.
    Wenn ich bei Jaimes gesundheitlichem Zusammenbruch dabei gewesen wäre, hätte ich sie retten können. Ich habe Anzeichen und Symptome ignoriert und weiß nicht, wie ich das meiner Nichte sagen soll.
    »Klar, nur zu«, erwidert er. »Haben Sie Grund zu der Annahme, dass sie hier in dieser Wohnung irgendetwas aufbewahrt hat, auf das es jemand abgesehen haben könnte? Ich habe im Wohnzimmer einige Computer und dazu Papiere bemerkt, die wie Fallakten und vertrauliche Dokumente aussahen. Sind in den Computern möglicherweise geheime Daten gespeichert?«
    »Ich habe keine Ahnung von den Daten in ihren Computern, nicht mal, ob es überhaupt ihre sind.«
    Ich hätte einen Rettungswagen rufen und eine Mund-zu- Mund-Beatmung durchführen können. Ich hätte für sie atmen können, bis die Sanitäter sie mit Sauerstoff versorgt und in die Notaufnahme gebracht hätten. Sie sollte jetzt, angeschlossen an ein Beatmungsgerät, im Krankenhaus liegen und auf dem Weg der Besserung sein – und nicht kalt und steif in ihrem Bett. Ich werde Lucy gestehen müssen, dass ich Jaime und sie im Stich gelassen habe. Vielleicht wird Lucy mir ja nie verzeihen. Daraus würde ich ihr keinen Vorwurf machen. All die Jahre hat sie mir immer wieder dasselbe gepredigt, weil ich es einfach nicht lassen konnte: Kämpfe nicht meine Kämpfe. Fühle nicht meine Gefühle. Versuch nicht ständig, alles ins Lot zu bringen, weil du es damit nur noch schlimmer machst .
    Und ich habe es schlimmer gemacht. Noch schlimmer hätte ich es gar nicht machen können. »Ich denke, Sie wissen, was Jaime in Savannah wollte«, sage ich zu Chang. »Aber um Ihre Frage zu beantworten: Ich weiß wirklich nicht, ob sich in dieser Wohnung etwas befunden hat, für das sich jemand interessiert haben könnte. Dasselbe gilt für die Computer im Wohnzimmer.«
    »Hat sie während Ihres Besuchs geäußert, dass sie vielleicht von jemand verfolgt wird?«
    »Nur dass sie auf ihre Sicherheit bedacht sei«, erwidere ich. »Doch sie hat keine bestimmte Person oder Sache erwähnt, vor der sie Angst hatte.«
    »Hat sie möglicherweise Schmuck oder andere Wertgegenstände aus New York mitgebracht? Ihre Uhr liegt noch da.« Er deutet auf eine goldene Armbanduhr von Cartier mit schwarzem Lederband auf der Anrichte neben einem Glas, das ein wenig Wasser enthält. »Die würde einen Dieb doch sicherlich interessieren. Ob sie im betrunkenen Zustand angefangen hat, ein Medikament oder sonst etwas zu suchen?«
    Ich nehme eine Packung Betadorm aus dem Waschbecken und stelle fest, dass der obere Rand aufgerissen ist, als sei die Person, die das getan hat, in panischer Hast gewesen. Auf dem Boden liegt ein silberner Folienstreifen, in dem zwei Tabletten fehlen.
    »Inzwischen bin ich nicht mehr sicher, ob sie betrunken war. Zumindest nicht so sehr, wie es den Anschein hatte.« Ich mustere das Preisschild auf der Betadormschachtel. Monck’s Pharmacy. Falls es keine Kette ist, ist das der Drugstore neben der Waffenhandlung in der Ladenzeile unweit des GPFW.
    »Sie hat das hier gekauft. Vielleicht hatte sie ja Allergien«, sagt er. »Wissen

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