Blut für Blut: Thriller (German Edition)
gehabt und ist nicht mehr aufgewacht. Ich hatte ein sehr enges Verhältnis zu ihr, sie war eine gute Tante. Sie hatte keine Kinder und deshalb richtig viel Zeit für mich.«
»Ach, das tut mir sehr leid.« Reza drückte ihr die Schulter. Er wusste nicht so viel über ihren Hintergrund, sie hatte ihm nur einmal kurz erzählt, dass ihr kleiner Bruder als Kind ertrunken war. Sie war jedoch nicht ins Detail gegangen.
»Dann musst du wohl zur Beerdigung?«
Sie zuckte verzagt mit den Schultern.
»Ich weiß es nicht. Ich hoffe, dass sie in Odense beerdigt wird, wo sie gewohnt hat, das ist näher an Kopenhagen als Ringkøbing, und ich möchte nur so kurz wie möglich der Ermittlung fernbleiben. Wir werden sehen – wo warst du übrigens?«
Eine plötzliche Röte ließ Rezas Gesicht glühen, und er drehte sich schnell von ihr weg und murmelte etwas davon, dass er verschlafen habe. Dann räusperte er sich und fügte hinzu: »Das Reichskrankenhaus hat angerufen. Peter Lindgren, Kissis Chef, hat einen Herzschrittmacher bekommen, und die Operation ist gut verlaufen. Ich übernehme es übrigens gern, heute Abend wieder die Berichte zu schreiben, wenn du nach Hause und die letzten Stunden mit deinem Freund genießen willst.«
Rebekka lächelte ihn traurig an.
»Ein ritterlicher Vorschlag, danke. Michael und ich hatten nicht den besten Morgen, wenn du verstehst. Er war genau genommen so schlecht, dass er seine Sachen gepackt hat und gegangen ist. Wahrscheinlich ist er bald in Ringkøbing, wenn er nicht schon da ist.«
»Das meinst du doch nicht ernst. Was ist passiert? Ihr habt euch doch nicht getrennt, Rebekka?« Reza sah sie bestürzt an, und sie zuckte mit den Schultern.
»Im Moment weiß ich gar nichts. Wir haben uns gestritten, über unsere Beziehung. Michael ist nicht zufrieden damit, wie es ist, er möchte mehr: zusammenziehen, Kinder und so weiter, während ich es einfach genießen möchte, so wie es ist. Wir wollen offenbar nicht das Gleiche, und das ist ein Problem.« Sie war traurig, und Reza umarmte sie kurz, was er normalerweise nicht tat. Er roch anders als üblich, nach einem neuen Rasierwasser.
»Lass uns aufhören, davon zu reden, ja? Ich erzähle dir lieber von meinem Vormittag bei Jerome und dem Briefing.«
Reza nickte, und kurz darauf verließen sie das Präsidium, um zu Mohammad Assaf zu fahren.
____
Mohammad Assaf riss die Tür mit einem heftigen Ruck auf, und Rebekka spürte, wie sein Körper in Alarmbereitschaft ging.
»Was wollen Sie?« Die Stimme war schnarrend und hatte einen starken Akzent.
»Sie sind Mohammad Assaf?«
»Wer sind Sie?« Der Mann, der ihnen gegenüberstand, war groß und breitschultrig und hatte ein pockennarbiges Gesicht mit groben Zügen, struppigen Bartstoppeln und dunklen, stechenden Augen. Seine ganze Erscheinung war unangenehm, er war der Typ Mann, um den die meisten Menschen auf der Straße einen großen Bogen machen würden, doch Rebekka und Reza ließen sich von seiner bedrohlichen Ausstrahlung nicht einschüchtern, sondern zeigten ihre Polizeimarken vor und traten mit einer Selbstverständlichkeit über die Schwelle, dass der Mann vor Verwirrung einen Schritt zurückwich. Die Wohnung war stickig, höhlenartig, mit dunklen Laken vor den Fenstern und einem scharfen Geruch nach Schmutz und Gewürzen.
»Warum sind Sie hier?« Aus einem der angrenzenden Zimmer waren Kinderweinen und ein leises Murmeln zu hören.
»Können wir uns irgendwo in Ruhe unterhalten?«
»Sie können sich hierhin setzen.« Mohammad zeigte auf einen Klotz von einem Ledersofa, das die Hälfte des schmalen Wohnzimmers einnahm. Der Fernseher lief, er war auf irgendeinen arabischen Kanal eingestellt. Mohammad stellte ihn aus und blieb stehen, während er sie wütend anstarrte.
»Setzen Sie sich.« Rebekka sprach ruhig, aber bestimmt mit dem Mann, der offensichtlich erst protestieren wollte, sich dann aber doch auf das Sofa setzte, das knarrend unter seinem Gewicht nachgab.
»Warum sind Sie hier? Ich habe nichts getan.« Mohammad zündete sich eine Zigarette an und inhalierte in tiefen Zügen, ohne den Blick von Rebekka und Reza zu nehmen.
»Wir möchten mit Ihnen über die Sozialarbeiterin Kirsten Schack, auch Kissi genannt, reden.« Reza holte eine kleinere Fotografie von Kissi aus der Innentasche und schob sie zu Mohammad hinüber. Der Mann sah sich die Fotografie nicht an, sondern rauchte ruhig weiter.
»Ich denke, Sie sollten sich das Bild ansehen.«
Mohammad warf einen kurzen Blick auf
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