Blutfehde
einzuschätzen, Coop. Wer weiß, was ihm noch einfällt, wenn er sich in die Enge getrieben sieht? Außerdem hatte er ja für Amandas Ermordung einen Komplizen gehabt. Was ist, wenn der sich auch noch irgendwo herumtreibt?«
»Konntest du schlafen?«, fragte Mercer.
»Schau sie dir doch an, Mann. Wenn ja, muss sie einen Albtraum gehabt haben.«
»Ich spiele im Geiste immer und immer wieder die Szene im Gerichtssaal durch und hoffe auf einen anderen Ausgang. Ich überlege, wie wir hätten verhindern können, dass er Elsies Waffe zwischen die Finger bekommt.«
»Sprich mir nach: >Es ist nicht meine Schuld.< Wie oft hast du das schon selbst zu den Opfern gesagt?«
»Ich habe für heute Abend etwas Besonderes geplant«, sagte Mercer und zog mich beiseite. »Wir helfen dir, die Sache durchzustehen.«
»Ich will nichts Besonderes. Ich will nur meine Ruhe und -«
»Die wirst du auch haben. Ich rede von einem guten, hausgemachten Essen, keinem Take-away-Dinner. In deinen eigenen vier Wänden. Vickee kommt vorbei, in Ordnung?«
Mercers Frau Vickee Eaton war ebenfalls Polizistin und arbeitete im Büro des Stellvertretenden Leiters der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit. Ihr Vater, ein vielfach dekorierter Polizist, war bei einem Einsatz getötet worden, als sie fünfzehn Jahre alt war. Weil sie nicht damit zurechtkam, dass Mercer ebenfalls ständig Gefahren ausgesetzt war, hatte sie sich vor Jahren von ihm scheiden lassen. Vor gut zwei Jahren hatten Mercer und Vickee ein zweites Mal geheiratet, ihr gesamtes Leben drehte sich jetzt um ihren gemeinsamen Sohn Logan. Wegen Vickees vollem Terminkalender, sie versuchte einen anstrengenden Job und die Mutterschaft unter einen Hut zu bringen, sahen wir uns nicht mehr so oft wie früher.
»Ich könnte mir nichts Schöneres wünschen. Was ist mit Logan?«
»Ihre Schwester kümmert sich nur zu gern um den Kleinen. Du bekommst heute Abend Futter für die Seele. Vickee hatte heute frei. Nach meinem Anruf heute Nachmittag hat sie ein gebratenes Hühnchen und Kartoffelbrei gemacht. Dazu gibt es Kräuterbrot und Gemüse. Sie bringt alles mit, und wir wärmen es hier auf.«
Ich fiel ihm um den Hals und küsste ihn.
»Ich habe bereits deine Weinvorräte geplündert. Einen fruchtigen, teuren Wein.«
»Jederzeit. Dafür genießt du Straffreiheit.«
»Ich decke den Tisch«, sagte Mike. »Wir nehmen das gute Geschirr, oder? Du musst gar nichts tun. Versuch dich zu erholen. Und mach ein bisschen Hirngymnastik. Überleg mal, wer Quillians Kontakte sein könnten. Wem er vertraut und bei wem er sich verstecken würde.«
»Den Tunnelarbeitern?«, fragte Mercer.
»Dieser unterirdische Kumpelkram hat auch seine Grenzen«, sagte Mike und durchsuchte meine Schränke nach dem Silber und Porzellan. »Er hat seit Jahren nichts mehr mit ihnen zu tun.«
»Aber du weißt genauso gut wie ich, dass Duke für viele Tunnelbauer noch immer ein Held ist. Genauso wie sein Vater«, sagte Mercer. »Ich wäre mir da nicht so sicher, dass er nicht bei ein paar alten Freunden der Familie unterschlüpfen kann.«
»Und dann gibt es da noch seine Kumpel, mit denen er geschäftlich zu tun hatte«, sagte ich. »All diese Typen, die sich während unserer Ermittlungen hinter ihn stellten und vor Gericht als Charakterzeugen aussagen wollten, obwohl sie wussten, wie schlecht es um seine Ehe stand.«
»So ist’s richtig, Coop. Du denkst nach, und Mercer und ich schauen, was wir damit anfangen können. Such uns die Namenslisten aus deinen Akten.«
Mike folgte uns ins Fernsehzimmer, zog seinen Blazer aus und krempelte die Ärmel hoch. »Zeit für Trebek, Mercer. Grey Goose und Tri via - und ich bin glücklich.«
Mercer schenkte sich und Mike etwas zu trinken ein, während Mike den Tisch deckte.
Ich machte es mir mit einem Glas Mineralwasser auf dem Sofa gemütlich. »Vielleicht können wir uns noch die Nachrichten anschauen, bis die letzte Frage kommt?«
»Du kennst doch die Nachrichten, Alex. Mach dich nicht noch mehr verrückt.«
Ich schloss die Augen und entspannte mich, bis Mercer für den Quiz-Endspurt den Ton wieder einschaltete.
»Die heutige Kategorie ist Blaues Blut. Blaues Blut«, sagte Trebek. »Nach der Werbung schauen wir uns Ihre Wetteinsätze an. Bleiben Sie dran.«
»Doppelt oder nichts«, rief Mike aus dem Esszimmer.
»Ich verliere so oder so«, sagte Mercer. »Krieger oder Prinzessinnen, darauf seid ihr beide abonniert.«
»Blut«, murmelte ich. Es war das einzige Wort, das ich gehört
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