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Blutige Asche Roman

Titel: Blutige Asche Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Pauw
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den Kadi stets vorzuziehen ist. Außerdem halte ich Letzteres für zu riskant.«
    Ich nahm die Ausfahrt. In wenigen Minuten würde ich im Büro sein. »Uns bleibt kaum eine Wahl. Meiner Meinung nach kann Herr van Benschop von Glück sagen, dass sich die Gegenseite entschlossen hat, den zivilrechtlichen Weg zu beschreiten. Ich will gar nicht darüber nachdenken, was erst passiert, wenn das Mädchen Strafanzeige bei der Polizei erstattet.«
    Am anderen Ende der Leitung wurde es still: »Wo kommst du eigentlich her? In deinem Kalender ist nichts eingetragen.«
    »Ich hatte ein Treffen mit einem potenziellen Mandanten.«
    »Wer soll das sein?« Er klang misstrauisch.
    »Das möchte ich vorerst noch offenlassen.«
    »Oder musstest du wieder zur Krippe?«
    Ich hätte ihn am liebsten angeschrien, doch stattdessen sagte ich so nachdrücklich wie möglich: »Der Mandant sitzt in der Hopperklinik. Er wurde wegen Mordes an seiner Nachbarin sowie an deren Tochter verurteilt. Vielleicht möchte er die Wiederaufnahme des Falles beantragen.«

    »Hmmm.«
    »Wenn das klappt, bringt uns das jede Menge Prestige, Lode.« Ich wusste, dass er darauf anspringen würde.
    »Also gut. Das Mädchen möchte Detektiv spielen.«
    »Willst du mich beleidigen?«
    »Natürlich nicht, Verehrteste. Aber du weißt ja, wie solche Wiederaufnahmeverfahren ablaufen. Ehe man sich’s versieht, ist die ganze Kanzlei damit beschäftigt. Und dann sind wir gezwungen, finanziell interessantere Fälle sausen zu lassen. Von den Kosten für eventuell anfallende forensische Untersuchungen und die Suche nach neuen Zeugen und so weiter ganz zu schweigen.«
    »Prestige, Lode.«
    Er seufzte. »Du weißt, wie scharf ich darauf bin.«
    »Genau.« Ich parkte meinen Wagen vor der Tür.
    »Liebes, ich muss jetzt los. Lass uns so verbleiben, dass du dich in den nächsten Wochen etwas in den Fall einarbeitest. Aber natürlich erst, nachdem du einen Antrag auf Prozesskostenbeihilfe gestellt hast.« Lode kam genau in dem Moment aus der Tür, als ich die Kanzlei betreten wollte. Wir ließen unsere Handys sinken.
    »Sollte es genügend Hinweise geben, die für ein Wiederaufnahmeverfahren sprechen, können wir ein Team zusammenstellen, einverstanden?«
    »Prima.«
    »Tschüss, Verehrteste.« Lode trippelte zu seinem Geländewagen.
    Ich winkte ihm hinterher und betrat die Kanzlei. »Ein brillanter Schachzug«, sagte ich laut zu mir selbst. Jetzt musste ich mich wirklich um Rays Fall kümmern. Das Gute daran war, dass ich so Gelegenheit hätte, ihn kennenzulernen, und
zwar während der Arbeitszeit. Das Schlechte, dass Bartels & Peters beschlossen hatten, keine Verwandten zu vertreten. Andererseits war Ray im Grunde ein Fremder für mich, und ich hatte nicht vor, mich von meinen Gefühlen fehlleiten zu lassen.
    Ich dachte an den nervösen Mann mit der unvorteilhaften Frisur, der es kaum gewagt hatte, mich anzusehen. Ich hatte nicht erwartet, dass ich »meinen Nachbarn, das Monster«, am liebsten umarmt und zu ihm gesagt hätte: »Komm, lass uns nach Hause gehen.« Wahrscheinlich, weil Aron ihm so ähnlich sah. Was verband mich sonst schon mit Ray?
    Oder lag es daran, dass er so gestrahlt hatte, als ich anfing, von seinen Fischen zu erzählen? Wie ein Kind, dem man eine Gutenachtgeschichte vorliest. Ob meine Mutter das je für ihn getan hatte? Hatte er sich abends mit frisch gewaschenen Haaren in seinem Schlafanzug an sie gekuschelt? Hatte sie ihn geliebt? Hatte ihn überhaupt irgendjemand geliebt? Irgendwann in seinem Leben?
    Ich holte tief Luft und bereitete mich auf meine Rolle der eloquenten Frau im Kostüm vor, die ihren Mandanten nach Ehre und Gewissen verteidigt. Was immer das auch bedeuten mochte.

20
    Rosita war fast immer gut gelaunt. Aber sie konnte auch traurig sein. Dann öffnete sie die Tür und ging wortlos zurück ins Wohnzimmer. Mir fiel nichts Besseres ein, als hinter ihr herzulaufen, das Tütchen mit der Madeleine in meiner Hand. Sie setzte sich aufs Sofa und schlug die Hände vors Gesicht.
    »Ray!«, sagte Anna fröhlich. Ihre Mundwinkel wanderten nach oben, und sie machte große Augen. Zuerst nahm sie stets die Madeleine in Empfang. Sie machte sich gar nicht erst die Mühe, das Tütchen ordentlich zu öffnen, sie riss es entzwei und stopfte sich die Madeleine in den Mund.
    »Du musst sie genießen«, sagte ich. »Du musst sie langsam in den Mund nehmen und vorsichtig kauen, damit du den Geschmack und die Konsistenz genau wahrnehmen kannst. Spürst du, dass sie

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