Blutiger Engel: Thriller (Ein Alice-Quentin-Thriller) (German Edition)
hatte herunterschlucken müssen, irgendwo in seinem Hals.
»Es sollte also aussehen, als hätte er auch hinter diesem Überfall gesteckt?«
Morgan war völlig in die Betrachtung seiner Handrücken vertieft.
»Es ist okay, wenn Sie sich Zeit lassen«, erklärte Burns ihm ruhig. »Können Sie mir sagen, wo Ihr Rad geblieben ist, Liam?«
Er räusperte sich kurz. »In Clerkenwell.«
»Sind Sie bereit, mir zu erzählen, was geschehen ist?«
Er nickte unglücklich. »Sie hat sich wie verrückt gewehrt. Dabei wollte ich sie nur erschrecken.«
»Haben Sie sie überfallen, Liam? Ich brauche ein Ja oder ein Nein für die Aufnahme.«
Es folgte eine lange Pause. »Ich wollte ihr eine Lektion erteilen, weiter nichts.«
»Eine Lektion?« Burns’ Stimme wurde hart. »Aber es war ein bisschen mehr als das, nicht wahr? Sie haben ihr Gesicht in Fetzen geschnitten, und sie kann von Glück reden, dass sie ihr linkes Auge nicht verloren hat.«
Ein Ausdruck hämischer Freude huschte über sein Gesicht. Es hatte sich für ihn gelohnt, die Schönheit seiner Frau zu ruinieren, und für diese Genugtuung nahm er bereitwillig zehn Jahre Haft in Kauf. Trotzdem setzte er, als ich ihn wieder ansah, eine möglichst reuige Miene auf.
»Sie sind ihr mit Ihrem Wagen gefolgt, nicht wahr?«, fragte Burns in wieder ruhigem Ton.
Morgan hatte ein Engelbild auf dem Computer ausgedruckt, sein Fahrrad in den Kofferraum gepackt, den Wagen in Clerkenwell geparkt und den Rest des Wegs mit seinem Rad zurückgelegt. Anschließend hatte er das Rad im Garten hinter irgendeinem Haus versteckt, sich wieder nach Hause begeben und in einem Schockzustand dort ausgeharrt, bis der Anruf aus dem Krankenhaus gekommen war.
»Ich kann einfach nicht glauben, dass ich das getan habe«, erklärte er und fügte noch hinzu, er wäre schließlich nach dem Anruf sofort losgerast, um möglichst schnell bei seiner Frau zu sein.
»Aha.« Burns zog die Brauen hoch. »Es war also alles nur ein fürchterlicher Unfall.«
»Außer ihr habe ich niemandem auch nur ein Haar gekrümmt.«
»Aber Sie wissen, wer der Angel Killer ist, nicht wahr?«
Morgan brachte noch fast eine halbe Stunde damit zu, die Verantwortung für seine Tat zu leugnen. Er gab an, Nicoles Verhalten hätte ihn dazu getrieben, und wer hinter den drei anderen Überfällen steckte, wüsste er beim besten Willen nicht. Dann verstummte er, doch als wir uns zum Gehen wandten, fragte er: »Wann kann ich meine Kinder sehen?«
Burns bedachte ihn mit einem Blick, der deutlich machte, dass er damit in absehbarer Zukunft nicht rechnen konnte, und als wir den Raum verließen, zeigte seine Blässe, dass er noch genauso angespannt wie vorher war.
»Den Angel Killer haben wir damit noch immer nicht«, erklärte er und runzelte die Stirn. »Brotherton sagt, wenn wir ihn nicht bald erwischen, löst Scotland Yard uns beide ab.«
Ich wollte irgendetwas Tröstliches erwidern, doch er marschierte bereits davon, als hinge sein Leben davon ab, dass er rechtzeitig wieder im Einsatzraum erschien.
Als ich wieder nach draußen kam und einen Bus nach Butler’s Wharf bestieg, machte mir die Hitze abermals zu schaffen. Vor einem Café am Themseufer suchte ich mir einen Tisch im Schatten und bestellte ein Mineralwasser. Ein Touristenboot trieb auf dem Fluss, und noch immer lief der Angel Killer irgendwo herum. Ich musste an Liam Morgan und an all die anderen Männer denken, die die Frauen, die sie angeblich liebten, vorsätzlich verstümmelten. Ich hatte einmal einen Mann begutachtet, der nach einem Streit mit einer Flasche Salzsäure auf seine Freundin losgegangen war. Er hatte auf vorübergehende Unzurechnungsfähigkeit plädiert, aber ich hatte in meinem ganzen Leben niemanden getroffen, der so kopfgesteuert war wie dieser Kerl. Sein Gesicht hatte dieselbe falsche Reue ausgedrückt wie bei Liam Morgan.
Auf dem Weg nach Hause freute ich mich auf ein ausgedehntes Bad und einen Abend vor dem Fernseher. Mit etwas Glück lief irgendwo ein alter Spielfilm wie Die oberen Zehntausend oder Ein Herz und eine Krone. Etwas in der Richtung käme mir jetzt gerade recht.
Doch kaum hatte ich das Badewasser eingelassen, klingelte es Sturm, und laut fluchend hievte ich mich wieder aus der Wanne, trocknete mich ab und tappte in den Flur.
»Überraschung!« Grinsend drückte Lola mir zwei Flaschen Pinot Grigio in die Hand, stürzte an mir vorbei in meine Küche und holte zwei Gläser aus dem Schrank.
Nach einer halben Stunde wusste ich
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