BLUTIGER FANG (German Edition)
Deckenfläche, die sich weit ins Innere erstreckte, Lampen aller Art herunter. Unweit davon gab es das komplette Arsenal an TV-Elektronik: Receiver, DVD- und Blu-Ray-Player sowie große Flachbildschirme. Hinter einem von denen versteckte er sich. Hier hatte er die Hauswand im Rücken und so konnte wenigstens nichts von hinten an ihn herankommen.
Bronco hatte sich so in Stellung gebracht, dass er einerseits fernab vom Schuss, andererseits aber an einem halbwegs guten Beobachtungspunkt war, von wo aus er sowohl die Rolltreppen als auch den Eingang des Restaurants noch leidlich erkennen konnte.
Dass Kramer im Moment wie von Furien gehetzt die Treppen hinunterrannte, entging ihm ebenso wenig wie die Tatsache, dass er eine Weile am Ausgang verharrt und sich nicht herausgetraut hatte. Typisch für diesen Feigling!
Erst allmählich dämmerte Bronco, was seine Spontanaktion zu bedeuten hatte. Er war sich keineswegs bewusst gewesen, was er da eigentlich gemacht hatte. Vor allem im Hinblick auf Linda erschrak er über sein Vorgehen. Er fühlte im Nachhinein das Undeutliche aus Affekt und Planung und es schien, das animalische Drängen habe das Spiel mit den Wächtern sozusagen als Leitfaden genommen. Doch: Wollte er Kramer und vor allem auch Linda wirklich an die Löwen ausliefern? Weswegen?
Damit es keine Zeugen gab? Damit er die Beute für sich allein behalten konnte?
Unsinn!
Bronco wurde die Brüchigkeit seiner Handlung deutlich. Vielleicht waren ihm vor Angst auch nur die Nerven durchgegangen und er wollte die unerträgliche Spannung, die auf ihm lastete, auf diesem Weg abbauen.
Wie von einer Schanze in die Luft, flog er plötzlich in einen Gedanken hinein, der sich unversehens als Kernpunkt seines Handelns erwies und ihm jetzt ganz klar vor Augen stand: Nie wieder Knast!
Jetzt erst merkte er, wie sehr er davon schon die ganze Zeit ergriffen gewesen war. Weil der Gedanke vom Schock des Miterlebten, der Angst und seit Kurzem auch von der Sorge um Linda in den Hintergrund gedrängt worden war, hatte er kaum eine Chance gehabt, sich klar auszuformulieren und ins Bewusstsein zu dringen. Das war nun anders.
Immer klarer wurde Bronco auch, dass er keine Lust mehr hatte, noch lange zu checken, ob Kramer dichthalten würde oder nicht. Er wollte stattdessen dafür sorgen, dass der das in jedem Fall tat – und zwar für immer, wenn es nötig wäre. Er hatte ja im Restaurant gesehen, wie groß Kramers Sorge um Frank war. Der würde alles auffliegen lassen, um einem Typen zu helfen, dem sowieso nicht mehr zu helfen war. Nein, die Sache sollte zu seinen, zu Broncos Gunsten enden!
Jäh wurde er aus seinen Gedanken gerissen.
Dort drüben, bei der Rolltreppe, huschten Schatten vorbei! Zwei große, dunkle Umrisse, die am Treppengeländer vorbeizogen und offenbar ein festes Ziel hatten.
Bronco schnürte es die Kehle zu: Die Löwen traten auf die freie Fläche vor der Rolltreppe und schlichen lautlos in Richtung Restaurant.
Wieder überkam ihn dieses Gefühl, das er schon beim Anblick des zweiten Wächters gehabt hatte. Eine Art innerer Aufruf. Eine kleine, aus den Tiefen seines Innenkerkers heraufschallende Stimme rief ihm zu, er solle etwas tun, um das Grauen abzuwenden. Wenigstens von Linda! Es wäre die letzte Chance, seine schmutzige kleine Seele vom Morast der Schuld zu reinigen.
Doch was hätte er tun können? Schreien, Warnen und sonst wie mit dem Maul Agieren half hier nicht mehr, wie es vielleicht noch bei den Nachtwächtern geholfen hätte. Er fürchtete, sich dabei selbst in Gefahr zu bringen, denn es war nicht klar, wie die Löwen reagieren würden.
Anscheinend behielt Kramer schon wieder Recht. Die Tiere kamen also tatsächlich zurück.
Plötzlich hielten die Löwen an. Sie waren bei der Leiche, die vor dem Restaurant lag, und harrten aus.
Bronco glaubte zu erkennen, dass, während die Löwin den Kopf zur Leiche hinuntersenkte, der Pascha den seinen auf das Restaurant gerichtet hielt.
Schieß! Schieß doch endlich, rief ihm die innere Stimme zu, die sich um Linda sorgte. Verdammt noch mal, schieß! Jetzt ist die beste Gelegenheit, die Viecher zu töten und die Gefahr zu bannen!
Er hätte die Löwen durch einen Schuss irritieren und in die Flucht schlagen können. Flucht? Wohin? Die Treppen hinunter? Zur Schmuckabteilung? Oder ins Restaurant?
Es schmeckte bitter, als ihm klar wurde, dass genau das, was er die ganze Zeit im Grunde gewünscht hatte – Kramers Verbleiben im Restaurant –, nicht eingetreten
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