Blutrubin Trilogie - Band 2: Der Verrat (German Edition)
ertragen. Irgendwie hoffte ich noch immer, dass es vielleicht doch einen Weg gab, ihn zu retten, auch wenn alle sagten, es sei unmöglich.
Mir blieb keine Zeit weiter darüber nachzudenken, denn ich hatte mein Ziel erreicht. Direkt vor mir lag der See. Am gegenüberliegenden Ufer war nur Wald zu sehen und zu meiner Linken erkannte ich auch keine Felshöhlen. Als ich nach rechts blickte, musste ich feststellen, dass der See eine Biegung machte. Ich konnte nicht sehen, was sich dort befand.
Es blieb mir also nichts anderes übrig, als ein Stück am Ufer entlangzulaufen, bis ich einen guten Blick auf den weiteren Verlauf hatte.
Vorsichtig tat ich einen Schritt nach dem anderen und kämpfte mich über die glitschigen Steine. An meinen Füßen gluckerte das Wasser, das gegen die Felsen schlug und einmal wäre ich fast ausgerutscht, konnte mich aber im letzten Moment noch festhalten. Gerade, als ich dachte ich käme nicht mehr weiter, sah ich die Wiese vor mir und machte einen beherzten Sprung auf den weichen Untergrund.
Leider hatte ich auch von hier aus keinen wirklich guten Blick auf den rechten Teil des Sees. Ich beschloss zurückzugehen. Mir blieb nichts anderes übrig, als wieder in den Wagen zu steigen und zu hoffen, dass ich die Stelle irgendwann finden würde. Doch plötzlich hielt ich mitten auf der Wiese inne und sah mich stirnrunzelnd um. Alles hier kam mir so bekannt vor. Ich wusste aber mit Gewissheit, dass ich noch niemals zuvor hier gewesen war. Ganz langsam, wie in Zeitlupe, drehte ich mich um meine eigene Achse. Als der See direkt vor mir lag, blieb ich stehen und blickte nach rechts. Dort war kein Durchkommen, denn die hohen Felsen ragten weit in das Wasser und selbst mit meinen außergewöhnlichen Vampirfähigkeiten würde ich diese nicht überqueren können, ohne zwangsläufig baden zu gehen.
Zu meiner Linken sah ich die kleineren Felsen, über die ich gestiegen war und die ich erneut überqueren musste, um zu unserem Wagen zu gelangen. Hinter mir lag der finstere Wald und vor mir war nur das Wasser des Loch Rannoch. Wieso hatte ich das Gefühl, schon einmal hier gewesen zu sein?
Ich war gerade dabei mich wieder auf den Rückweg zu machen, da hörte ich ein lautes Knacksen hinter mir.
Ich wirbelte herum und sah mit zusammengekniffenen Augen auf den Wald.
Ich bekam Gänsehaut, denn es war, als hätte ich genau diese Situation schon einmal erlebt. Dann hörte ich das Knacksen erneut und ich konzentrierte mich auf den Waldrand, von wo ich das Geräusch vermutete. Vielleicht war es ja nur ein Fuchs, der in der Nacht umherstreifte und diese Laute verursachte. Wer sonst sollte um diese Zeit noch unterwegs sein?
Ein Rascheln, diesmal aber ein Stück weiter rechts. Es war höchste Zeit, dass ich mich wieder aus dem Staub machte, denn ich musste James finden und durfte mich nicht ablenken lassen. Ich hatte schon einige Schritte gemacht, als ich ruckartig stehenblieb und zur Salzsäule erstarrte. Plötzlich wusste ich, wo ich war, denn mir war eingefallen, wo ich diese Szene schon einmal erlebt hatte.
Dies war exakt der Platz, den ich schon etliche Male in meinen Träumen gesehen hatte. Hier hatte ich James mit Hilfe meines Lichts getötet. Wieder zerbarst ein Ast im Wald vor mir. Ich wagte nicht, mich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Regungslos stand ich da und fixierte einen Punkt am Waldrand.
»Bitte nicht!«, kam mir über die Lippen, als jemand aus den Schatten trat. Automatisch bewegte sich meine Hand zum Gürtel, um einen der Eisenpflöcke zu greifen. Doch da war nichts, was man hätte herausziehen können, die Schlaufen waren allesamt leer. Ich hatte in meiner Eile nicht an die Pflöcke gedacht und stand völlig unbewaffnet auf der Wiese.
»Ganz ruhig, Claire, womöglich ist es ganz anders, als du gerade glaubst«, redete ich mir ein und versuchte meinen rasenden Puls wieder etwas zu senken. Wenn mein Traum eine Vision gewesen war, dann würde ich es in wenigen Augenblicken erfahren. Sollte dies wirklich der Fall sein, handelte es sich bei der Gestalt nämlich um Kimberly, meine Adoptivschwester.
Ich sah wie gebannt auf die Silhouette, die jetzt langsam aus den Schatten trat und dann erhellte das fahle Mondlicht ihre Züge.
»Kimberly«, keuchte ich auf, als ich sie erkannte. Wie ich es in meinem Traum gesehen hatte, kam sie lächelnd auf mich zu. Aber es war ein boshaftes, sarkastisches Lächeln.
Hinter ihr kam nun Bewegung in den Wald und nach und nach traten weitere Personen auf
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