Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Blutschande

Titel: Blutschande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Therese Philpsen
Vom Netzwerk:
Verhalten ist typisch für die Frauen am Strandvej.«
    Roland nickte. An diese Möglichkeit hatte er noch gar nicht gedacht. Der Arzt hatte nichts von einer Behinderung gesagt, aber diese konnte ja auch psychischer Natur sein. Und darüber konnten sie erst eine Aussage machen, wenn sie mit dem Mädchen gesprochen hatten.
    »Wann können wir mit ihr sprechen?«, fragte Liv.
    »Der Arzt wusste es nicht. Wenn es ihr besser geht«, antwortete Roland und ließ den Blick durch Livs freundliches Heim schweifen. Auf dem Küchenfußboden türmten sich die Sachen der Kinder: Spielzeug, Bauklötze, Puppenwagen, eine Trommel und eine Unmenge kleiner Ponys mit langen Mähnen, die man kämmen konnte. Er erinnerte sich daran, dass auch Christina mit so etwas gespielt hatte, als sie klein gewesen war. Das Spielzeug hatte sich seither nicht sonderlich verändert. Es gab jetzt nur mehr davon.
    »Wo ist deine Familie?«
    Liv lächelte und trank einen Schluck.
    »Die Mädchen sind die ganze Woche bei ihrem Vater, damit ich mich auf den Fall konzentrieren kann. Und Claus ist mit ein paar Freunden ausgegangen.«
    Roland nickte langsam und versuchte so zu tun, als verstünde er alles.
    »Vermisst du sie nicht? Die Kleinen?«
    Sie begann laut zu lachen, und Roland war verunsichert.
    »Ha! Na klar. Aber zwischendurch ist es mal ganz angenehm, ein bisschen Ruhe und Frieden für die Arbeit zu haben. Außerdem kann ihr Vater ruhig auch einmal seinen Teil leisten, nicht wahr?«
    »Da hast du recht«, sagte Roland und fragte sich, ob Cynthia wohl der Meinung war, dass er seinen Teil geleistet hatte, als die Kinder klein waren. Vermutlich nicht. Auch damals hatte ihn die Arbeit viel zu sehr gefordert. Er konnte ihr im Grunde keinen Vorwurf machen, dass sie ihn leid geworden war.
    »Was ist mit Claus?«
    Liv lächelte und sah ihn verschmitzt an, was ihn noch mehr verwirrte.
    »Was soll mit ihm sein?«
    »Ist er gut zu dir?«
    Liv zuckte mit den Schultern.
    »Ich habe doch keinen Lover, damit er gut zu mir ist.«
    Roland runzelte seine breiten Augenbrauen.
    »Warum dann?«
    Liv trank noch einen Schluck und lächelte.
    »Für den Sex. Was sonst?«
    »Und Liebe?«
    Liv zuckte wieder mit den Schultern.
    »Du stellst zu viele Fragen, Roland.«
    Er lachte lautlos.
    »Das ist mein Job.«
    Liv lächelte.
    Per Roland sah sie an und fragte sich, wer sie wohl so verletzt haben mochte. Er bohrte aber nicht weiter. Gewisse Dinge brauchte er nicht zu wissen.
    »Und was ist mit dir, Roland? Trauerst du noch immer um deine Exfrau?«
    Er biss sich auf die Lippe, bis sie aufplatzte.
    »Oje, lass mich mal sehen«, sagte Liv und stand auf, um eine Serviette zu holen. Sie trat dicht zu ihm, legte ihm die Hand auf die Wange und tupfte mit der anderen das Blut ab.
    »So«, sagte sie und sah ihm in die Augen. »Das war wohl ein Volltreffer, was?«
    Roland schwitzte und atmete schnell. Er war verwirrt von ihrer plötzlichen Fürsorge und Weiblichkeit, die sie im Alltag so perfekt versteckte. Mit einem Mal verspürte er den starken Drang, ihr die Hand in den Nacken zu legen und sie zu sich nach unten zu ziehen, besann sich aber im letzten Augenblick. Sie zögerte, als wartete sie genau darauf. Dann lächelte sie und setzte sich wieder rittlings auf ihren Stuhl.
    Mein Gott, was bist du für ein Idiot, schimpfte Roland sich innerlich.
    »Was ist denn das mit dir und ihr … wie hieß sie noch mal?«
    »Cynthia.«
    »Cynthia.« Liv ließ den Namen auf sich wirken. »Das ist kein dänischer Name, ist sie …?«
    »Sie ist halb deutsch«, unterbrach er sie. »Und schöner als der Sonnenaufgang über dem Øresund.«
    Liv pfiff anerkennend.
    »Schön. Du liebst sie wirklich. Warum seid ihr nicht zusammen?«
    Roland trank seine Tasse aus. Der letzte Schluck schmeckte immer schrecklich. In der Regel war er kalt und zu stark.
    »Wir sind geschieden.«
    »Und jetzt hat sie einen anderen gefunden, ist es das?«
    Roland nickte etwas überrascht. Liv konnte die Menschen wirklich durchschauen. Auf jeden Fall ihn. Aber das war vielleicht auch nicht sonderlich schwer.
    »Ich habe es erst heute herausgefunden. Da war plötzlich ein Mann am Telefon, als ich bei ihr angerufen habe.«
    Liv sah ihn mitleidig an. Irgendwie machte ihn das ärgerlich.
    »Ich glaube, ich habe genau das, was du jetzt brauchst.«
    Sie stand auf und verschwand über die Treppe nach oben. Roland hörte sie über sich herumkramen und fragte sich, was sie wohl machte. Wenn sie jetzt nur nicht mit der Telefonnummer

Weitere Kostenlose Bücher