Blutspuk in Venedig
seitlich an ihr vorbeischaute, konnte ich schwach durch den Flammenvorhang hindurch den Beginn der Treppe sehen. Und eine Gestalt kam die Stufen herab.
Suko hatte es nicht mehr ausgehalten. Er nahm zwei, drei Stufen auf einmal. Er hatte das Feuer gesehen und war von seinem Anblick so fasziniert, daß er nicht mehr weiterging.
Wie gebannt blieb er stehen.
Es gab weder Rauch noch fetten Qualm, der uns den Atem raubte. Es war nur der Teppich aus Feuer vorhanden und das gleißende Zentrum in seiner Mitte.
Warum bewegte sich Suko nicht?
Ich wollte ihn noch einmal ansprechen, aber er kam mir zuvor und streckte dabei den Arm aus. Die Hand wies dorthin, wo sich die Flammensäule abzeichnete.
Ich sah nichts.
»Was ist denn?« schrie ich Suko zu.
»Die Maske!«
Ich mußte den Platz wechseln, lief zuerst nach links, dann hinüber nach rechts.
Und da sah ich, was mein Freund gemeint hatte. Inmitten des Feuers schwebte etwas, das ich im ersten Moment nicht richtig erkennen konnte, weil eben der Teppich aus Flammen die Luft flirren ließ. Ich schaute dann direkter hin und sah, daß sich Suko nicht geirrt hatte.
Inmitten des Feuers und sogar dicht beim Zentrum schwebte die Maske…
***
Sie war ein kaltes, ein schreckliches Gebilde, mit einer Nase, einer hohen Stirn, zwei dunkle Augenhöhlen, sie hatte auch einen Mund, verzogen und krumm, dessen Winkel nach unten wiesen, als wollten sie dem Gegenstand bewußt einen verächtlichen Ausdruck verleihen. Und ich sah, daß zwischen den Lippen der querliegende Stiel einer Rose steckte.
Aus der dunkelroten Blüte tropfte etwas auf den Boden und verdampfte.
Blut…
Blut aus der Rose!
Die Maske bewegte sich nicht. Sie stand im Feuer, verbrannte jedoch nicht. Die Maske starrte ins Leere und zugleich uns an, und es kam mir so vor, als wäre sie bewußt auf uns fixiert, als wollte sie uns etwas mitteilen.
Die Maske sah auf irgendeine Art und Weise auch aus wie das Gesicht eines traurigen Clowns, der trotzdem böse war und voll teuflischer Ideen steckte.
Vor allen Dingen die Dunkelheit innerhalb der leeren Augen hob sich scharf gegen die Außenhaut der Maske ab und natürlich auch gegen die Flammen im Hintergrund.
Sie war teuflisch…
Und das Blut tropfte weiter.
Ich hatte Mühe, meinen Blick von ihr zu lösen. Die Augen wanderten nach unten. In dem Feuer malte sich etwas ab, als hätte jemand einen Schatten hineingezeichnet, der schmal begann und sich dann zu einer Glocke ausbreitete.
Ein Geist, ein Plasma aus dem Reich der Toten?
Das konnte alles und auch nichts sein, jedenfalls glaubte ich nicht an eine Täuschung.
Neben mir bewegte sich Suko. Da er höher stand als ich, mußte ich hochschauen und bekam mit, wie der seine Dämonenpeitsche hervorholte.
Ich wußte, was er vorhatte.
Aber die Maske wußte es auch.
Urplötzlich bewegte sie sich. Mit einer rasenden Geschwindigkeit huschte sie auf uns zu, erreichte uns aber nicht, weil sie dicht vor uns in die Höhe stieg, als wollte sie die Decke küssen. Sie wurde von einem Feuerstreifen begleitet und erinnerte mich in diesem Moment an einen Kornet.
Dicht unterhalb der Decke – sie mochte auch dort abgeprallt sein – drehte sie sich und raste auf eines der Fenster zu. Diesmal stoppte sie nicht. Die Wucht war so stark, daß sie schon beim ersten Anprall die Scheibe zerschlug und nach draußen jagte. Das Glas war aus dem Rahmen hervorgerissen. Plötzlich hatte der Wind freie Bahn, um in den Raum zu stoßen, und er ließ es sich nicht nehmen, die Flammen anzufachen.
»Verdammt, wir müssen weg!« schrie Suko. Vor ihm hatte sich eine Flammenwand aufgebaut.
Er bewegte sich nicht allein.
Während mein Freund die Arme vor das Gesicht riß, um es vor der sengenden Hitze zu schützen, hatte ich mich bereits gedreht und eilte mit langen Schritten auf die Tür zu, die wir hinter uns nicht abgeschlossen hatten.
Der große Griff bestand aus Metall. Er war ziemlich schwer. Ich mußte Kraft einsetzen, um ihn nach unten zu drücken, nahm beide Hände zu Hilfe und zerrte die Tür auf.
Hinter mir hörte ich Sukos Tritte. Bevor ich nach draußen lief, drehte ich mich noch um.
Der Inspektor stürmte wie ein lebendiger Schatten durch das Feuer. Er rannte auch an mir vorbei ins Freie und hatte Mühe, zu stoppen. Beinahe wäre er noch in die schmutzigen Fluten des Kanals gefallen.
Auch ich hatte den inneren Bereich des Hauses verlassen und die Tür zugezerrt.
Beide standen wir zusammen, dem Wasser die Rücken zugedreht. Wir standen
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