Blutspur in East End
Fahrpreis zusammen und verließen das Taxi. Aus sicherer Entfernung beobachteten sie, wie Ken eine Haustür aufschloss und hineinging. Im ersten Stock brannte in einem Fenster noch Licht.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite standen Carol und Brent eng umschlungen. Die wenigen nächtlichen Passanten hielten sie gewiss für ein Liebespaar, was sie ja auch waren. Aber sie hatten vor dem Haus nicht Position bezogen, um zärtlich zueinander zu sein. Sie waren dort, um mehr über Ken zu erfahren.
„Immerhin wissen wir jetzt, wo er wohnt“, flüsterte Carol. „Und er lebt nicht allein. Siehst du?“
Sie deutete auf das Fenster, hinter dem man die Schatten von zwei Menschen erkennen konnte. Einzelheiten waren nicht auszumachen, denn die Vorhänge waren zugezogen. Eine halbe Stunde später wurde das Licht gelöscht.
„Lass uns mal rübergehen und das Namensschild checken“, raunte Brent. „Dann kennen wir seinen Nachnamen.“
„Das ist eine gute Idee“, meinte Carol.
Sie überquerten die Fahrbahn. Brent hatte eine kleine Taschenlampe an seinem Schlüsselbund, mit der er das Messingschild beleuchtete.
„Dieser miese Heuchler“, schimpfte Carol leise. Brent nickte. Auf dem Schild stand: Kenneth und Janet Marsh.
Tricias Freund war verheiratet.
10. KAPITEL
Nur mit Mühe konnte Brent Carol davon abhalten, sofort Sturm zu klingeln und Kenneth Marsh als feigen Mörder zu beschimpfen. Es dauerte einige Minuten, bis sie sich wieder halbwegs beruhigt hatte.
„Am liebsten würde ich diesen Mistkerl sofort auffliegen lassen!“, drohte Carol, als sie gemeinsam zur U-Bahn-Station gingen.
„Ich verstehe dich gut. Aber wir müssen uns hundertprozentig sicher sein, dass er Tricia umgebracht hat, bevor wir die Polizei verständigen.“
„Was gibt es denn da noch für Unklarheiten? Dieser Ken lässt sich mit Tricia ein, macht ihr womöglich Versprechungen. Eines Tages wird ihm das Risiko zu groß. Er hat Angst, dass seine Frau alles herausfinden könnte. Deshalb räumt er Tricia aus dem Weg.“
„Das klingt logisch. Aber woher wissen wir, dass nicht in Wirklichkeit die Ehefrau die Mörderin ist? Sie findet heraus, dass ihr Ken eine junge Geliebte hat. Sie wird rasend eifersüchtig, spioniert deiner Freundin hinterher und tötet sie schließlich.“
Brent hatte recht, wie Carol nun erkannte. Dieser Ken war gewiss ein scheinheiliger Ehebrecher. Aber das hieß nicht, dass er Tricia auch umgebracht hatte. Doch man konnte es drehen und wenden, wie man wollte – die Affäre zwischen Tricia und Ken war ein perfektes Mordmotiv.
Carol musste sich eingestehen, dass sie tief enttäuscht von ihrer Freundin war. Sie hatte fest daran geglaubt, dass sie und Tricia sich immer alles gegenseitig erzählen würden. War es Tricia peinlich gewesen, mit einem älteren und verheirateten Mann liiert zu sein? Hatte sie deshalb ihre Affäre gegenüber Carol verschwiegen?
Während sie auf dem zugigen Bahnsteig auf die U-Bahn warteten, schmiedeten sie weiter Pläne.
„Wir müssen diesen Ken irgendwie festnageln. Es kann ja sein, dass seine Frau die Mörderin ist. Wir müssen uns die beiden getrennt voneinander vornehmen.“
„Hast du eine Idee?“, fragte Brent.
„Irgendwie schon. Ken wird doch bestimmt einen Job haben. Wenn er morgen früh zur Arbeit geht, folgen wir ihm dorthin. Dann sagen wir ihm auf den Kopf zu, dass wir ihn für den Mörder halten. Wenn er ein Alibi für die Tatzeit hat – umso besser. Dann kann er es nicht gewesen sein. Danach knöpfen wir uns seine Ehefrau vor.“
„Ken könnte die Nerven verlieren, wenn wir unsere Karten auf den Tisch legen“, gab Brent zu bedenken.
„Sicher, die Gefahr besteht. Aber deshalb rücken wir ihm ja auch zu zweit auf die Bude. Du bist doch dabei, oder?“
„Auf jeden Fall, Carol. Wir haben doch heute schon bewiesen, dass wir ein unschlagbares Team sind.“
Brent brachte Carol nach Hause, bevor er sich auf den langen Rückweg nach Brixton machte. Sie verabschiedete sich mit einem Kuss von ihm, der schon etwas länger und intensiver ausfiel als am Vorabend. Sie wollten sich schon am nächsten Morgen um acht Uhr in der Nähe von Kenneth Marshs Haus wiedertreffen. Der Plan war, dem Verdächtigen zu seinem Arbeitsplatz zu folgen. Allerdings wussten sie nicht, ob er ein Auto besaß oder die U-Bahn nehmen würde. Brent wollte deshalb auf jeden Fall mit seinem Honda Civic kommen. Falls Marsh nicht motorisiert war, konnten sie bei der Verfolgung den Kleinwagen einfach stehen
Weitere Kostenlose Bücher