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Blutstein

Blutstein

Titel: Blutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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Tabletten gelogen hatte. Sie hatte schon seit Tagen keine mehr genommen.
Das Joggen half ihr viel mehr als jede Pille.
    38
    N achdem
seine Kinder und die Enkelkinder nach Ostern abgereist waren, kehrte in Gerlofs
Garten wieder die Normalität ein.
    Die letzten dürren Blätter des vergangenen Jahres waren von den
Haselnusssträuchern gefallen, die das Grundstück säumten. Gerlof konnte kleine,
eifrige Wesen sehen, die im Gestrüpp hin und her hüpften. Das waren Buchfinken,
soeben eingetroffene Zugvögel, die entweder den Sommer über bleiben würden oder
nur einen kurzen Zwischenstopp eingelegt hatten, um bald über die Ostsee nach
Finnland und Russland weiterzufliegen. Er konnte sie vor allem hören – der
Chorgesang der Finken erinnerte ihn an melodisch klingende Glöckchen.
    Es war auch ein bisschen wärmer geworden, und der Wind blies nur
schwach, sodass Gerlof im Freien an seinen Buddelschiffen hätte weiterarbeiten
können. John Hagman hatte ihm ein altes und gut durchgetrocknetes Stück
Mahagoniholz vorbeigebracht, und Gerlof hatte vor, daraus ein
Viermastvollschiff anzufertigen. Diese Segelschiffe hatten ihre Blütezeit auf
den großen Weltmeeren gefeiert, lange bevor er selbst Seemann wurde, aber zeit
seines Lebens hatte er diesen Schiffstyp geliebt.
    Aber er könnte natürlich genauso gut weiter in Ellas Tagebüchern
blättern, heimlich. Ab und zu entdeckte er nämlich eine Stelle über ihren
merkwürdigen Besucher.
    Heute ist der 5.
August 1957.
    In dieser Woche
gab es viel Fisch. Am Donnerstag haben wir gebratenen Hecht gegessen, den
Gerlof am Strand zwischen den Steinen mit einem Speer harpuniert hat. Und heute
Morgen brachte mir Schreiner Andersson einen Flussbarsch vorbei.
    Und letzten
Samstag haben wir ein Flusskrebsfest gefeiert. Da Gerlof in Borgholm zum
Hafentreffen war, waren die Mädchen und ich allein.
    Mein kleines
Kerlchen scheint zu wissen, wann die Luft rein ist. Er hatte sich ein paar
Wochen lang nicht gezeigt, aber heute war er plötzlich wieder da und stand an
der Steinmauer, als ich nach draußen kam. Ich habe ihm Milch und Kekse aus der
Küche geholt. Er kam näher, und da schlug mir sein Gestank entgegen. Heute war
es schlimmer als sonst, wahrscheinlich liegt das an der Hitze. Er müsste mal
baden, dachte ich mir da, warum badet er nie? Aber er lächelte mich an, und ich
tat so, als wäre nichts.
    Wie sonst auch
sagte er kein Wort, sondern knabberte die Kekse und trank die Milch. Und dann
verschwand er wieder gen Norden, ohne ein Wort des Dankes.
    Er ist so scheu
und zuckt bei dem kleinsten Geräusch zusammen. Es ist ganz eindeutig, dass er
gar nicht da sein darf. Er möchte unbemerkt kommen und gehen dürfen, wann er
will. Deshalb erzähle ich auch niemandem ein Wort über ihn.
    Gerlof schlug das Tagebuch zu und legte es auf den Tisch. Er sah die
Straße hinunter, die nach Norden führte, und dachte darüber nach, dass Ellas
Besucher von dort gekommen war.
    Was lag denn nördlich von seinem Sommerhaus? In den Fünfzigerjahren
hatten dort kleine Höfe und Bootshäuser gestanden, sonst gab es nur Gras und
Büsche. Und den Steinbruch natürlich. Der lag ja am nächsten, auf der anderen
Straßenseite.
    Er wollte gerade weiterlesen, als es am Gartentor klingelte.
    Aber es war nicht der Pflegedienst, sondern Per Mörner. Er winkte
Gerlof zu, der den Gruß erwiderte. Sie hatten sich seit dem Nachbarschaftsfest
nicht mehr gesehen.
    »Ich bin zurück«, verkündete Per, während er über den Rasen lief.
    »Ich wusste gar nicht, dass Sie verreist waren«, entschuldigte sich
Gerlof. »Haben Sie Ihren Vater zurück aufs Festland gebracht?«
    »Eigentlich war das so gedacht«, entgegnete Per leise, »aber uns ist
etwas dazwischengekommen ... Er bleibt vorerst hier, und ich kümmere mich um
ihn.«
    Er hatte den Blick gesenkt, während er das erzählte.
    »Das ist doch schön«, sagte Gerlof, »dann haben Sie mehr Zeit
füreinander.«
    »Klar«, entgegnete Per, sah aber nicht besonders erfreut aus.
    Sie schwiegen eine Weile, bis Per sagte:
    »Ach, übrigens, wissen Sie etwas über diese Blutspur drüben im
Steinbruch?«
    »Blutspur?«, wiederholte Gerlof. »Die habe ich noch nie gesehen.«
    »Keine richtige Spur«, lenkte Per ein, »sondern eher so eine rote
Gesteinsschicht, die sich durch den Felsen zieht ... Ernst hat das immer
Blutstein genannt.«
    »Ach so, das!«, Gerlof nickte. » Blutlage haben das die Steinhauer
genannt. Aber das ist kein Blut, das ist Eisenoxid. Es bildete sich, als

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