Blutzeichen: Deadly Sins 2 - Roman (German Edition)
ein Geheimnis hatte.
Die Hexe hob beide Hände und sang einen Zauber. Moira schloss die Augen. Sie wandte die mentalen Tricks an, die Rico ihr beigebracht hatte, um einen Fluch abzuwehren, wiederholte einen Psalm auf Hebräisch. Es musste wirken, denn Nicole verstummte. Langsam öffnete Moira ihre Augen wieder und stellte überrascht fest, dass Nicole mit ihrem Athame in der Hand neben ihr kniete.
Auf keinen Fall durfte sie sich ihre Panik anmerken lassen. »Du tötest mich nicht!«, raunte sie ihr zu. »Dazu fehlt dir die Courage.«
Nicole brachte Moira einen etwa fünf Zentimeter langen Schnitt am Unterarm bei. Rasch sickerte Blut aus der Wunde, und Nicole drückte noch mehr heraus. Moira presste die Lippen zusammen, damit sie nicht vor Schmerz aufschrie. Nicole drehte ihren Arm so, dass Moiras Blut in ein kleines Glas tropfte.
»Du Miststück!«, fauchte Moira mit zusammengebissenen Zähnen.
»Ich habe Fiona schon Bescheid gesagt. Sie wartet auf dich.«
Entsetzliche Angst regte sich in Moira, doch sie verdrängte sie und gab zurück: »Warum kommt sie nicht selbst und holt mich? Zu viel Schiss?«
»Ich richte ihr aus, dass du das gefragt hast.«
Ihre Mutter war der eine Mensch, den Moira mehr als alles andere fürchtete, mehr noch als Dämonen. Dämonen waren einfach böse, spielten nicht mit den Gefühlen anderer. Sie waren sogar ziemlich berechenbar und konnten mit Exorzismus-Gebeten verscheucht werden, die sich in einem wesentlichen Teil von Hexerei unterschieden: Beim Exorzismus verlangte man keine Gefälligkeiten. Klar, Dämonen waren furchteinflößend, und Moira genoss es nicht direkt, gegen sie zu kämpfen. Aber sie hätte sich allemal lieber dem Dämon Wollust gestellt als ihrer Mutter.
Denn Fiona kannte Moiras größte Schwäche. Sie wollte ihre Tochter nicht töten, sondern dass Moira bis in alle Ewigkeit litt.
Deine Angst bringt dich noch um.
Ruhe! Moira wollte Rico für seine lächerlichen Sprüche und seine tollen Weisheiten erwürgen. Wie hätte sie keine Angst haben sollen? Warum sollte sie Dämonen und ihre Mutter nicht fürchten? Rico war ein Jäger; er war nie gejagt worden. Nicht wie sie. In ihrem Leben und in ihren Albträumen war sie die Beute gewesen. Im Geiste war sie tausend Tode gestorben und lebte immer noch. Die bloße Erwähnung von Fionas Namen, von dem, was sie war und was sie getan hatte, reichte, um Moira in blanke Panik zu versetzen.
Als Fiona sie eingesperrt hatte, spielte sie mit Moira, weil es ihr Spaß machte. Doch die beste Art, Moira zu verletzen, bestand darin, ihr das zu nehmen, was sie liebte. Das zu töten, was ihr das Gefühl verlieh, menschlich zu sein. Das Einzige zu zerstören, das ihr Hoffnung auf eine Zukunft gab.
Rafe.
Nein!
Sie vertraute darauf, dass Rafe einen Plan hatte, auch wenn sie, weiß Gott, keine Ahnung hatte, wie dieser aussah. Klar war, dass sie hier raus und zur Kirche musste, ehe es zu spät war. Sie hatte wahrlich Wichtigeres zu tun, als sich darum zu sorgen, wann – oder ob – Nicole sie an Fiona auslieferte.
Ihre Dolche waren fort, und Wendy hatte ihr die Jacke mit den anderen Hilfsmitteln weggenommen. Aber sie besaß noch ihren Verstand.
»Wendy hat dich also als meinen Babysitter hiergelassen?«
»Das macht nichts«, entgegnete Nicole selbstzufrieden. »Sowie der Dämon Grants Seele hat, nimmt er sich Wendys Körper … und ihre Seele.«
»So sieht dein brillanter Plan aus? Einen Cop umbringen und dem Dämon deine Schwester ausliefern?«
»Wendy denkt, dass sie und der Dämon eine Abmachung haben. Sie hat keinen Schimmer! Schon bald wird sie erleben, wie es ist, benutzt und manipuliert zu werden.«
»Arme kleine Schwester Nicole, manipuliert von Wendy, manipuliert von Fiona, ein Fußabtreter für …«
»Klappe halten, Moira! Ich weiß, was du vorhast.«
»Ach ja? Und was? Ich bin halb nackt, und ihr habt mich in eine Geisterfalle gesperrt, damit ein Dämon kommt und mich zu Fiona bringt. Und du denkst, ich würde dich manipulieren? Bist du wirklich so armselig?«
Moira mühte sich weiter mit ihren Fesseln ab. Wäre Nicole doch nur etwas weniger geschickt beim Verknoten gewesen!
Nicole schritt vor ihr auf und ab. »Du kennst mich nicht.«
»Ich weiß, dass du Hank Santos verführt hast, um an Informationen aus dem Sheriff-Büro zu kommen und ein Auge auf Lily zu haben, solange es ihre Mutter nicht konnte. Ich weiß, dass deine Mutter eine miese Schlampe war, die zwei Unschuldige ermordet hat, um diesen verdammten
Weitere Kostenlose Bücher