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Böse Liebe - Ein Alex-Delaware-Roman 8

Titel: Böse Liebe - Ein Alex-Delaware-Roman 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Fenster.
    Kurz nach vier kam Milo. Er sah gehetzt aus und besorgt. In einer Hand hatte er eine Kassette, in der anderen seinen Diplomatenkoffer. Anstatt wie gewöhnlich direkt in die Küche zu marschieren, ging er ins Wohnzimmer und lockerte erst einmal seinen Schlips. Er stellte den Koffer auf den Kaffeetisch und übergab mir die Kassette.
    »Das Original ist in meiner Akte. Das hier ist eine Kopie. Du kannst sie behalten.«
    Der Anblick der Kassette rief mir wieder die Schreie und den Singsang in Erinnerung. Das Kind... Ich legte sie in meinen Schreibtisch und begleitete Milo zum Teich hinunter, um ihm die Fußabdrücke zu zeigen.
    Er ging in die Knie und betrachtete sie ausgiebig. Nach einer Weile schaute er zu mir hoch und sagte: »Du hast recht, damit kann man nichts anfangen. Sieht aus, als hätte sich jemand die Mühe gemacht, sie zu verwischen.«
    Er ging um den Teich herum und suchte nach anderen Spuren. Er nahm sich wieder einige Zeit, bevor er mir mitteilte: »Nichts. Tut mir leid, überhaupt nichts.«
    Wir gingen ins Wohnzimmer zurück. »Möchtest du etwas trinken?«
    »Später.« Er öffnete seinen Koffer und holte eine braune Plastikschachtel heraus. Eine Videokassette.
    Sie war unbeschriftet, aber auf der Schachtel erkannte ich das Logo eines lokalen Fernsehsenders. Darüber ein fetter Stempel, POLIZEIEIGENTUM BEWEISSTÜCK, und eine Nummer.
    »David Hewitts letzter Auftritt«, sagte Milo. »Sicherlich nichts für die Kinderstunde, aber ich möchte, dass du dir etwas ansiehst - vorausgesetzt, dir wird nicht schlecht davon.«
    »Keine Sorge.«
    Das Logo der Fernsehgesellschaft blitzte kurz auf, dann ein hübscher Backstein-Flachbau mit rustikalen Fenstern, Schieferdach und einer braunen Tür rechts neben der schmalen Einfahrt in der Mitte des Gebäudes. Zoom auf ein Schild: PSYCHIATRISCHE KLINIK LOS ANGELES - AUSSENSTELLE WEST. Das Zoom fuhr zurück: zwei kauernde Figuren in dunkler Kleidung auf beiden Seiten der Einfahrt, wie Spielsoldaten mit Gewehren. Einer bewegte sich fünf Meter weiter. Eine dritte Figur schlängelte sich um die Ecke, beide Hände auf dem Gewehr. Nahaufnahme: dunkelblaue Uniform und kugelsichere Weste, POLIZEI in weißen Buchstaben auf dem Rücken, Kampfstiefel und blaue Sturmmaske mit Augenlöchern.
    Dann öffnete sich die braune Tür. Ich konnte zwei Leute erkennen: ein Mann, bärtig, langhaarig, schmutzig. Sein Bart ein Gestrüpp aus Blond und Grau. Die Stirn voller Falten, sein Haar klebrige Fuseln, wie Sonnenflammen um den Kopf, von einem Kind gemalt. Sein Oberkörper war nackt, und er schwitzte wie ein Stier. Er rollte die Augen. Sein scheinbar zahnloser Mund war weit aufgesperrt, doch es war kein Laut zu hören.
    Mit dem linken Arm umklammerte er eine dicke, dunkelhäutige Frau. Seine Finger bohrten sich in ihre Hüfte. Sein rechter Arm war als knochiger Haken um ihren Hals gelegt. Etwas in seiner Hand blitzte silbern an ihrer Kehle. Sie schloss die Augen, kniff sie zusammen. Der Mann drückte ihr Kreuz durch, presste sie an sich und verdrehte ihren Hals. Nur ihre Absätze berührten noch den Boden. Jetzt sah man es deutlich, das große, glitzernde Fleischermesser in seiner Hand, die breite, blutverschmierte Klinge in seiner blutverschmierten Hand.
    Der Mann fixierte einen der Polizeischützen. Mehrere Gewehre waren auf ihn gerichtet. Niemand bewegte sich. Die Frau zitterte, das Messer näherte sich ihrem Hals und produzierte einen kleinen roten Fleck. Blut, rubinrot.
    Er schob sie langsam auf die Straße. Sie verlor einen Schuh, doch er bemerkte es nicht. Er schaute von links nach rechts, von Scharfschütze zu Scharfschütze. Plötzlich kam der Ton. Er schrie. Der Mann mit dem Messer schrie, heulte, röchelte heiser. Schmerzensschreie.
    Meine Fingerspitzen bohrten sich in meine Oberschenkel. Milo schaute auf den Bildschirm, ohne sich zu rühren.
    Der bärtige Mann warf seinen Kopf hin und her, immer schneller und heftiger, als würde ihn jemand ohrfeigen. Seine Schreie wurden lauter. Er presste der Frau das Messer unters Kinn. Sie riss die Augen auf. Der Mann mit dem Messer schrie einen Polizeischützen zu seiner Linken an, als würde er ihn kennen, als wäre ihre Freundschaft plötzlich in Hass umgeschlagen. Der Polizist sagte wahrscheinlich etwas, denn der Mann schrie nun noch lauter. Er brüllte, kreischte.
    Er zog die Frau zurück in den Eingang, drückte sie fester an sich, verbarg sein Gesicht hinter ihrem Kopf. Dann eine kurze, schnelle Drehung seines Handgelenks.

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