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Bollinger und die Barbaren

Titel: Bollinger und die Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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ausgerechnet Sie das sagen.«
    Mein Puls begann zu rasen. »Ich habe noch nie eine so schöne Frau gesehen wie Sie.«
    Sie erschrak. »Bitte, nicht so etwas sagen. Auch das mit der Schauspielerei nicht. Sie dürfen mir keine – wie sagt man? –
     Flausen in den Kopf setzen.«
    »Was heißt da Flausen? Sie sind eine Künstlerin! Glauben Sie mir, ich spüre so etwas!«
    Sie zuckte zusammen. Ich hatte eine offene Wunde berührt. Von einer Sekunde auf die andere hatte sie sich verändert. Hart
     und unnachgiebig war sie geworden. Sie schüttelte immer wieder den Kopf – als müsste sie etwas Bedrohliches abwehren, das
     aus ihrem Inneren kam.
    »Das Theater ist begraben. Das sind Idiotien ...«, beschwor sie mehr sich selbst als mich.
    »Wer sagt das? Charles Hagenau?«
    Ihr Kopf flog hoch – als hätte ich sie an den Schultern gepackt und kräftig durchgeschüttelt.
    »Nein, Sie müssen nicht denken, dass mein Mann mich ... Sie wissen schon: beeinflusst ... in dieser Hinsicht ist er sehr offen
     ... Übrigens: Ich wollte Sie um etwas bitten.«
    Immerhin. »Um alles können Sie mich bitten, Agneta. Sie wissen ja, ich mag Sie ... Ich mag Sie sogar sehr, und nichts würde
     ich lieber tun, als Ihnen zu helfen. Sprechen Sie ganz offen!«
    Endlich lächelte sie ein wenig. Ich war glücklich. Dann aber packte mich die Angst. Was war, wenn uns jemand hier zusammen
     turteln sah? Lotte vielleicht. Eine Katastrophe. Kein Mensch kannte mich so gut wie sie. Sie würde sofort wittern, was hier
     zwischen den riesigen »Migros«-Regalen geschah: Dass zwei sich gefunden hatten. Das würde sie nicht verkraften. Nicht Lotte.
     Ich kam mir schäbig vor und undankbar. Es war schließlich Lotte Brück gewesen, die mir die Hand gereicht und alles |129| getan hatte, damit meine ersten Schritte auf dem schwierigen Schaurener Parkett nicht danebengingen. Und was tat ich? Ich
     warf mich einer wunderschönen und sehr begabten jungen polnischen Schauspielerin in die Arme, die mich dazu auserwählt hatte,
     sie zu retten.
    Es gab nur einen Ausweg: Ich musste Schauren verlassen. Zusammen mit Agneta.
    »Schön, dass Sie das sagen. Sie wissen ja: Ich kenne hier sonst niemanden. Außer den Hagenaus – und die Komplimente, die man
     als Frau da zu hören bekommt ... Nun, das ist nichts für fremde Ohren. Ich bin ja auch noch nicht so lange in Frankreich.
     Und es ist für eine junge Frau schwierig in der Fremde. Deshalb wäre es mir sehr lieb, wenn Sie ...«
    »Wir könnten ja mal zusammen nach Saarbrücken ins Theater gehen. Ich bin häufig dort. Es wäre mir eine ganz, ganz große Freude,
     Sie in das hiesige Kulturleben einzuführen, Agneta.«
    Ihre Mundwinkel zuckten bitter. »Das wird nicht gehen.«
    »Warum nicht?«
    »Und meine Bitte ist ...« Sie biss sich auf die Unterlippe.
    »Nur Mut, Agneta!«
    »Ich möchte, dass Sie mich da draußen nie wieder besuchen!« Das Leben musste ihr viel Böses angetan haben. Andererseits: Gute
     Schauspieler bewerkstelligen so etwas auch, ohne die entsprechende seelische Erfahrung gemacht zu haben.
    »Agneta, was ist geschehen? Haben die Sie ... Sind Sie wieder geschlagen worden?«
    Sie versuchte, ihren Einkaufswagen zu wenden, und stieß dabei gegen die Joghurt-Theke. Unwillig zerrte sie den Wagen rückwärts
     zur Kasse. Beinahe hätte sie den halb blinden Dr. Chariot umgerannt, der ein Kaninchen in die Tiefkühltheke zurücklegte, nachdem
     er es eingehend geprüft hatte.
    Ich wusste, dass Agneta weinte. Und sie konnte es nicht ertragen, dass ich es sah. Deshalb war sie weggelaufen. Es gab keinen
     anderen Grund.
    »Was hat denn das Mädchen?«, fragte Chariot.
    |130| »Ich glaube, sie kommt mit ihrer privaten Situation nicht zurecht.«
    Chariot schaute ihr nach und nickte. »Früher hat’s das nicht gegeben.«
    Ich war ganz benommen. An einen Einkauf war nicht mehr zu denken. Um nicht wie ein Trottel dazustehen, nahm ich wahllos zwei
     Konservendosen aus einem Regal. Soupe de legumes . Passiert. Obwohl ich französische Gemüsesuppe nicht mag. Sie ist mir zu dünn, hat zu wenig Geschmack nach einem wilden Garten.
     Aber das spielte jetzt keine Rolle.
    Als ich den Verlegenheitskauf an der Kasse bezahlte, blickte ich durch die Scheibe des Eingangsbereichs auf den Parkplatz.
     Agneta irrte zwischen den dicht geschlossenen Reihen parkender Autos umher. Sicher hatte sie einer der Hagenaus mit seiner
     Schrottkiste zum Supermarkt gefahren, hatte sie zum Einkaufen abgesetzt und war währenddessen

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