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Bollinger und die Barbaren

Titel: Bollinger und die Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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den warmen Innenlichtern, die fröhlichen Nackten, die festliche Ausgelassenheit dieses entrückten Ortes.
     Niemand hätte es als ungewöhnlich empfunden, wenn ich in einen der Wagen gestiegen wäre.
    Es war wie damals, als ich in meiner Verzweiflung darüber, dass mein Körper wieder mal kein Milligramm Oxytocin produzierte
     und ich mich fühlte wie ein Untoter, in das Saarbrücker Eros-Center an der Brebacher Landstraße gefahren war. Stundenlang
     war ich in den kalten Gängen des schmucklosen Gebäudes herumgelaufen und hatte es – wie jetzt – mit einem bis zum Hals klopfenden
     Herzen genossen, dass all die Frauen mir gehören konnten. Das hatte mich so sehr in Anspruch genommen, dass ich, als mich
     eine Schwarze auf Französisch ansprach, mit zum Zerreißen angespannten Nerven flüchtete. Nachher war es mir vorgekommen, als
     sei dieser Zustand kurz vor der Entscheidung tausendmal süßer gewesen als der banale Vollzug des Aktes hinter einer verschlossenen
     Tür – auch wenn damit mein Hormonproblem nicht gelöst war.
    Vielleicht war es ja möglich, seinen Körper so zu trainieren, dass er auch schon in diesem seligen Zustand der Erwartung das
     Oxytocin absonderte, das für eine euphorische Grundstimmung |136| sorgte. Man könnte sich auf diese Weise viel Ungemach ersparen, das zwangsläufig auftrat, wenn es zur realen Verbindung mit
     einer Frau aus Fleisch und Blut kam. Aber leider gehörte ich zu den Unglücklichen, die den lebenswichtigen Stoff nur produzieren
     konnten, wenn sie mit einem bestimmten Menschen zusammenkamen – Agneta oder Lotte.
    Der Daimler wurde gestartet. Hatte sie mich nicht gesehen?
    Der Wagen stieß langsam auf die Straße zurück. Ich stieg aus und stellte mich ihm in den Weg. Die Fernlichter blendeten mich.
     Ich schützte die Augen mit dem Unterarm.
    In diesem Moment lernte ich die andere Seite der Medaille kennen: Es war nun nicht mehr die Erwartung, die mich gepackt hatte,
     sondern die Angst. Ich war derjenige, der beobachtet wurde, der im Rampenlicht stand. Alle konnten sehen, wie ich schutzlos
     vor der Haube der mächtigen Limousine stand.
    Der Motor von Madame Chariots Wagen heulte auf. Für einen Augenblick dachte ich, Claire Chariot würde losrasen und mich überrollen.
     Doch dann röchelte der Motor kurz – und verstummte. Die Fahrertür wurde geöffnet.
    »Wo bleiben Sie denn?«, fragte sie.
    »Machen Sie die Scheinwerfer aus!«, flüsterte ich.
    Sie orgelte eine Weile an den Schaltern herum – dann konnte ich meinen Arm wieder herunternehmen. Ich ging zur Beifahrertür.
     Sie war verschlossen. Ich klopfte gegen die Scheibe. Nichts geschah.
    Erst nach einer Weile stieg Claire Chariot aus und schlug die Tür zu. Sie schaute mich an.
    »Wäre es nicht besser, wir unterhalten uns in einem Wagen?«, sagte ich und schaute zu der Reihe der parkenden Autos hinüber.
    Sie überlegte und nickte, machte aber keine Anstalten, wieder einzusteigen. Ich überquerte die Fahrbahn und schloss meinen
     Wagen auf.
    |137| Sie folgte mir. Ich öffnete ihr die Beifahrertür, und sie schlüpfte herein.
    »Ich wusste ja nicht, was hier los ist.«
    »Haben Sie mich nicht deshalb ...«
    Ihr Kopf flog herum. »Was denken Sie von mir? Glauben Sie, ich will hier mitmachen?«
    »Ich dachte nur ...«
    »Vergessen Sie’s!« Sie klang jetzt sehr resolut und kühl. Ganz die Frau Doktor. Meine zaghaft angelaufene Hormonproduktion
     versiegte augenblicklich wieder.
    »Es handelt sich hier sicher um einen dieser Treffs für Sexhungrige. Im Internet werden diese Parkplätze annonciert. Alles
     ist anonym, die Interessenten fahren Hunderte von Kilometern.«
    »Das interessiert mich nicht, Monsieur Bollinger. Ich finde dieses Treiben widerlich.«
    »Ja, ich auch. Aber trotzdem ist es doch interessant, dass es so viele Menschen gibt, die an dieser Form von Sex interessiert
     sind. Und das hier auf dem Land.«
    »Auf dem Land ist der Sex auch nicht anders als in der Stadt. Fahren Sie mal durch die Region! An jeder kleinen Straßenkreuzung
     parkt ein Wohnmobil mit einer Nutte, die auf Freier wartet. Und die Autos aus den umliegenden Dörfern stehen Schlange. Nach
     Feierabend hat man früher noch irgendwo ein Bier getrunken. Jetzt macht man an der Landstraße eine schnelle Nummer.«
    Das alles sagte sie mit einer Kälte, als ginge es um etwas völlig Belangloses. Eigenartigerweise kühlte ihre teilnahmslose
     Haltung meine Erregung nicht ab – nein, sie steigerte sie noch.
    »Haben Sie schon mit

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