Bomann, Corinna - Clockwork Spiders
nicht?«
»Natürlich besitze ich einen. Aber John mag seinen Tee lieber englisch, und ehrlich gesagt gelingt Assam im Samowar nicht so gut.«
Während sie Wasser in den Teekessel goss, spähte sie durch eines der reich verzierten Fenster des Wohnwagens. »Möchte Ihr Butler nicht hereinkommen und eine Tasse mit uns trinken? Er ist doch noch immer Ihr engster Vertrauer, oder nicht?«
»Natürlich ist er das«, entgegnete Violet. »Doch seit einem Vorfall vor ein paar Tagen ist er sehr wachsam.«
»Noch ein Vorfall?«, fragte Siberia erschrocken.
»Etwas Harmloses im Vergleich zu dem Schrecken auf dem Ball. Jemand war bei meiner Werkstatt und hat uns offenbar beobachtet.«
»Das wird einer der Spitzel für die Royal Society gewesen sein.«
Violet schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, nein, Lady Siberia, die Society interessiert sich nicht für mich, dafür müsste ich erst einmal eine bahnbrechende Erfindung machen und …«
Ihre Niederlage mit der Waschmaschine für Geschirr verschwieg sie lieber.
»Sie vergessen, dass Ihr Talent, mit der Tesla-Energie umzugehen, bemerkenswert ist.« Flink nahm Siberia zwei Teegedecke aus dem Schrank und setzte gleichzeitig mit zweien ihrer Tentakel den Kessel auf die Herdplatte. »Vielleicht sollten Sie sich eher darauf konzentrieren.«
»Da haben Sie möglicherweise recht«, gab Violet zu, während sie wieder ein wenig Niedergeschlagenheit wegen der Waschmaschine verspürte. »Nur leider lassen sich mit der Tesla-Energie nur wenige nützliche Dinge betreiben. Die meisten können bestenfalls als Waffen genutzt werden. Oder zur Abschreckung.«
Siberia lachte hell auf. »Was soll daran schlecht sein? Stellen Sie sich vor: ein Tesla-Apparat zur Abwehr von Dieben. All jene, die etwas durch Diebstahl zu verlieren haben, werden begeistert sein. Oder etwas Kleines für die Handtasche, das den Damen ein Gefühl der Sicherheit gibt.«
»Brauchen Sie so etwas, Siberia?«
»Machen Sie Witze, meine Liebe? Dank der Erfindungsgabe meines Geliebten wird ein Überfall auf mich für jeden Räuber zu einem fesselnden Erlebnis.« Sie grinste breit über ihren gelungenen Witz, dann setzte sie hinzu: »Das heißt aber nicht, dass andere Damen so etwas nicht gebrauchen können. Die meisten von uns haben zwei Beine, größtenteils beide aus Fleisch und Knochen und nicht nur aus Muskeln.«
»Kann schon sein«, entgegnete Violet matt. »Doch es gibt ja schon halb mechanische Hunde. Damen, die Angst vor einem Überfall haben müssten, wagen sich nicht in verrufene Gegenden, und wie jeder weiß, gehört dem Dampf die Zukunft. Niemand, der bei Verstand ist, würde in eine Erfindung investieren, die auf der Tesla-Kraft basiert.«
»Es sei denn, es gibt eine Erfinderin, die etwas Bahnbrechendes erfindet und die Aufmerksamkeit der Society auf sich lenkt.«
»Und dann stehen endlich ihre Spitzel vor meiner Tür.« Violet rang sich ein Lächeln ab. Siberias unerschütterlicher Glaube an ihre Fähigkeiten wärmte ihr das Herz. Wenn ihre Mutter von ihren Erfindungen wüsste, würde sie sicher gleich wieder einen Migräneanfall bekommen. Siberia jedoch war sicher, dass sie es schaffen konnte, und hin und wieder ertappte sich Violet dabei, dass sie sich Siberia als Mutter wünschte.
Bevor sie die Unterhaltung weiterführen konnten, pfiff der Teekessel. Siberia füllte eine Kanne mit Teeblättern und übergoss diese mit heißem Wasser. Wenig später schwebte eine angenehm duftende Teewolke über ihren Köpfen. Nach einigen Stücken Schokolade und Waffeln fühlte sich Violet angenehm schläfrig, und sie hätte gewiss nichts dagegen gehabt, sich einfach auf Siberias bequemes Sofa zu kuscheln. Siberia sicher auch nicht, doch Schritte kamen auf den Wohnwagen zu, und nur einen Lidschlag später stand Mr Blakley in der Tür.
»Wie es aussieht, haben Sie Glück, Lady Violet. Joe berichtet mir gerade, dass unser Mann einverstanden ist, Ihnen die Leiche zu zeigen. Allerdings sollten Sie noch heute Nacht dort erscheinen, denn die Familie möchte Lord Stanton morgen früh in das Bestattungsinstitut überführen lassen.«
»Was ist mit gleich?« Wenn sie schon mal in der Stadt war, warum bis zum Abend warten?
»Schlechte Idee«, entgegnete Blakley und nahm sich ein Stück Schokolade aus der Schale auf dem Tisch. »Momentan wimmelt die Morgue nur so von Polizisten, Geheimdienstleuten und Ärzten. Offenbar ist es ein großes Rätsel, wie der Lord zu Tode gekommen ist. Wenn es Sie beruhigt, ich glaube kaum, dass
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