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Bomann, Corinna - Clockwork Spiders

Bomann, Corinna - Clockwork Spiders

Titel: Bomann, Corinna - Clockwork Spiders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Bomann
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zutiefst beeindruckt von dem walartigen Koloss, der majestätisch über die Stadt hinwegschwebte und dabei ganze Häuserzeilen überschattete. Das Brummen und Stampfen der Dampfmotoren war bis hier unten zu vernehmen, während das Luftschiff allmählich in den Sinkflug überging. Als sie ihr Fernglas vors Gesicht hob, erblickte sie Luftschiffkadetten, die in den Seilen umherkletterten und die Hilfssegel einholten, die an die Flossen von exotischen Fischen erinnerten. Der Kapitän stand aufrecht und erhaben an der Spitze der gläsernen Gondel, flankiert von seinen Offizieren. Leider gelang es ihr nicht, zwischen den Passagieren einen Blick auf die Queen selbst zu erhaschen. War sie überhaupt am Fenster? Eigentlich ließ sie es sich nie entgehen, sich dem Volk zu zeigen, denn wie Violets Vater immer behauptete, war es für einen Monarchen lebenswichtig, vor seinen Untertanen präsent zu sein. Nach so langer Abwesenheit dürsteten die Menschen förmlich danach, ihre Königin wiederzusehen und sich von ihrer Gesundheit zu überzeugen. Wahrscheinlich war sie gerade auf der anderen Seite des Luftschiffs und winkte dort ihren Untertanen zu. Violet tröstete sich also mit dem Anblick der Waffensysteme, die unter dem Luftschiff angebracht waren. Die Kanonen und Schnellfeuergewehre – sogenannte Gatlings, ein Geschenk der Amerikaner – hätten ausgereicht, um halb London unter Beschuss zu nehmen. Doch diese Waffen waren nötig, denn wo es Luftschiffe gab, gab es auch Piraten, und die würden allein schon bei dem Anblick der gefährlich blitzenden Messingrohre das Weite suchen. Außerdem hieß es, dass die Queen Victoria im Falle eines Krieges die Flotte anführen würde. Doch Krieg hatte es jetzt schon seit beinahe siebzehn Jahren nicht mehr gegeben; die Deutschen setzten seit ihrer Niederlage in Sedan wieder eher auf Diplomatie denn auf Luft- und Wasserschiffe.
    Da in Friedenszeiten stets die besten Erfindungen gemacht wurden, hoffte Violet, dass es noch lange friedlich bleiben würde – unter Beschuss und in Lebensgefahr zu forschen, stellte sie sich einfach schrecklich vor.
    Als das Luftschiff vorüber war, trat sie zurück ins Zimmer und verstaute ihr Fernglas wieder in seinem Etui. Aufgrund dieses Ereignisses war das Frühstück verschoben worden, doch nun sollte sie so schnell wie möglich ins Speisezimmer gehen, wenn sie sich nicht wieder eine Benimmstunde von ihrer Mutter einhandeln wollte.
    Unten im Speisezimmer fand sie allerdings nur ihren Vater vor, der gerade die Morgenzeitung studierte.
    »Guten Morgen, Papa!« Als Violet zu ihm trat und er die Zeitung herunternahm, bemerkte sie, dass er kreidebleich war.
    »Ist dir nicht gut?«, fragte sie besorgt, während sie vor ihm stehen blieb, unschlüssig, ob der morgendliche Kuss auf die linke Wange gewünscht war.
    »Nein, es ist nur …« Der Blick ihres Vaters wanderte beunruhigt zu der Zeitung zurück.
    Wer sind die Säulen des Königreichs?, fragten dicke schwarze Lettern, darunter waren Fotografien von Lord Stanton und Lord Broockston abgebildet.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte sie erstaunt.
    »Ich fürchte, es kommen dunkle Zeiten auf uns zu«, murmelte ihr Vater mit Grabesstimme. »Sehr dunkle Zeiten.«
    »Und was hat es mit diesen Säulen auf sich?«
    Einen Moment zögerte Lord Reginald, dann reichte er Violet die Zeitung. »Ich kann es ja doch nicht verhindern. Lies selbst.«
    Violet ging mit der Zeitung auf ihren Platz. Dass Alfred eintrat und Kaffee und heiße Schokolade brachte, bekam sie nicht mit, denn ihre Augen klebten regelrecht an dem Artikel.
    Während noch immer eine unheimliche Mordserie Londons Hochadel erschüttert, taucht bereits eine neue Bedrohung auf. Heute Morgen ging bei der Londoner Polizei ein mysteriöser Brief ein, in dem von den sogenannten Säulen des Königreichs die Rede ist. Dem Verfasser zufolge wird gedroht, schon bald sämtliche Säulen zu zerstören und damit den Sturz der Krone herbeizuführen.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte Violet, während sie die Zeitung zur Seite legte. »Den Brief muss ein Verrückter geschrieben haben. Was meint er mit Säulen?«
    »Leider ist der Verfasser des Briefes nicht halb so verrückt, wie man glauben könnte.« Plötzlich zuckte Lord Reginald zusammen. Seine Miene verzerrte sich, sein Blick versteinerte.
    »Was ist los, Papa?« Violet sprang auf. Im nächsten Augenblick durchzuckte ein Geistesblitz sie. War es dem Verrückten gelungen, ihm ebenfalls so eine teuflische Kapsel zu

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