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Bone 01 - Die Kuppel

Titel: Bone 01 - Die Kuppel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peadar O'Guilín
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»Ruhe!«
    Sie verstummten, wie Indrani vorhergesagt hatte. Es war wie Magie. Er blickte der Reihe nach in alle Gesichter. Die Haut glänzte silbern unter den Lichterstraßen, wo kühle Tropfen aus Dachschweiß darauf gefallen waren.
    »Früher oder später«, setzte er an, »wird eine große Zahl von Bestien zu uns kommen, um zu Ende zu bringen, was sie begonnen haben.« Die Männer blickte mit dunklen, fremdartigen Augen zu ihm auf. Viele, zum Beispiel Kubar, ihr ehemaliger Heiliger, runzelten die Stirn. Aber nicht Yama. Der Junge zeigte wieder sein schiefes Grinsen und stupste seine Anhänger an.
    »Dank Indrani« – überall verfinsterten sich die Mienen – »haben wir diesen Ort so gefährlich für sie gemacht, dass sie schwere Verluste erleiden werden, wenn sie uns angreifen. In der Nacht, als wir vom Platz flohen …«
    »In dieser Nacht haben wir gewonnen!«, sagte Yama. Andere nickten und jubelten, und Stolperzunge brachte es nicht übers Herz, ihnen zu widersprechen.
    »In dieser Nacht«, fuhr er fort, »wurden diese Gebäude von einer kleinen Gruppe Bestien angegriffen, die Steine auf die Köpfe bekam.« Wieder Jubel. »Das könnten wir wieder schaffen. Wir könnten zehnmal so viele Feinde abwehren … aber es würde uns nichts nützen.«
    Er hielt inne, um zu sehen, ob sie ihn verstanden hatten.
    »Wenn wir ihnen die Lehre erteilen, dass sie uns lieber in Frieden lassen sollten …«, sagte Varaha.
    »Ja, sicher, das werden wir sie lehren«, bestätigte Stolperzunge. »Aber noch nicht jetzt.«
    Vierzig Männer und drei Frauen starrten ihn verdutzt an.
    »Als Indrani die Feinde von hier vertrieb, blieben sie und die anderen auf dem Dach. Sie stießen Steine über die Brüstungen, und zweimal mussten sie welche die Treppen hinunterrollen lassen. Sie haben vielleicht fünf Feinde getötet. Wenn sie stattdessen ihr Versteck verlassen hätten, wenn sie in einen direkten Kampf verwickelt worden wären, hätten die Bestien alle menschlichen Verteidiger abgeschlachtet, selbst Steingesicht. Jeder kann einen Stein werfen, aber nicht alle können mit dem Speer umgehen.«
    »Wir hatten nur einen einzigen Speer!«, sagte Indrani verärgert.
    »Das war keine Beleidigung, Indrani! Du hast nur getan, was getan werden musste! Aber, wie gesagt, ihr wärt getötet worden.«
    Yama unterbrach ihn. »Sie haben uns nicht getötet, als wir in die Gasse gestürmt sind!«
    Stolperzunge nickte. »In jener Nacht haben wir uns gut gehalten. Aber ich sage euch, wenn wir ihnen bis zum Platz gefolgt wären, würden sie sich jetzt noch mit unserem Fleisch den Bauch vollschlagen. Die Skelette und die Vierbeiner würden sich um unsere Eingeweide streiten.«
    Die Zuhörer erschauderten, worüber Stolperzunge froh war. »Ich will auf Folgendes hinaus: Nachdem Indrani hier den Sieg errungen hat, haben die Feinde keinen Kadaver zurückgelassen. Keinen einzigen! Zu Hause war es so, wenn ein Jäger behauptete, eine Bestie erlegt zu haben, wollten die Leute das Fleisch sehen. Wenn er nichts vorzuweisen hatte, wenn er mit leeren Händen zurückkam, verfluchten wir ihn als Verschwender und Feigling. Zu Hause… in meiner alten Heimat, ist ›Verschwender‹ die schlimmste Beleidigung, die man sich vorstellen kann, sogar noch schlimmer als ›Horter‹. Versteht ihr? Das Töten ist sinnlos, wenn es uns keine Nahrung einbringt. Wir müssen essen. Fleisch ist Leben, und ein Sieg, nach dem wir trotzdem hungern müssen, ist letztlich eine Niederlage. Deshalb sage ich euch jetzt: Wenn die Bestien irgendwann in den nächsten Tagen wieder zu uns kommen – und sie werden auf jeden Fall kommen! –, dann lassen wir die anderen zurück, damit sie auf die Kinder aufpassen und Steine werfen können. Wir dagegen haben eine andere Aufgabe zu erfüllen.« Er machte eine Pause, um Luft zu holen, und stellte überrascht fest, wie heftig er schwitzte und wie aufmerksam sie ihm immer noch zuhörten. »Wir müssen dafür sorgen, dass jede Bestie, die hier stirbt, auch hier bleibt. Keine darf entkommen, keine! Euer Stamm … unser Stamm wird überleben!«
    Dann bejubelten sie ihn, stürmten herbei, um ihm auf die Schulter zu klopfen und mit Hoffnung in den Augen zu umarmen. Aber ihre Worte wurden wieder unverständlich. Indrani hatte den Sprecher mitgenommen und kehrte zu ihren Waisenkindern zurück. Auch Varaha war verschwunden.

WILLKOMMEN IM STAMM
    »Guter Wurf«, sagte Stolperzunge. Die meisten Speere waren in der Nähe des Ziels gelandet, aber nur Varahas hatte

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