Borderlands
Straßenlaternen mit einem
schmutzigen Heiligenschein umgab und die Windschutzscheibe bei jeder Bewegung
des Scheibenwischers verschmierte. Die Rückfahrt verlief in allseitigem
Schweigen, da Penny auf der Rückbank lag und döste.
Als ich in unsere Einfahrt bog, streiften die
Scheinwerfer einen silbernen BMW , der vor unserer
Tür stand, und ich spürte, wie mein Magen sich verkrampfte.
»Wer kann das
sein?«, fragte Debbie und stieg aus.
Meine Eltern
hatten auf Shane aufgepasst, während wir in der Messe gewesen waren, und meine
Mutter öffnete uns die Tür. »Ihr habt Besuch. Ein bisschen angeheitert
allerdings«, sagte sie und verdrehte die Augen.
Als wir ins
Wohnzimmer kamen, saß Miriam Powell in dem alten Ledersessel mit Blick zur Tür
und bemühte sich trotz des Geruchs nach Gin, der sie umgab, um ein kultiviertes
Auftreten. Ihre Augen waren blutunterlaufen, und sie hatte deutliche
Schwierigkeiten, den Blick scharfzustellen. Meine Eltern verabschiedeten sich
und gingen, während Debbie Penny nach oben ins Bett trug. Miriam sah mit einem
starren, unaufrichtigen Lächeln zu, wie ich meine Tochter auf die Stirn küsste
und ihr sagte, ich liebte sie. »Ich wusste immer, dass du einen guten Vater
abgeben würdest, Benedict«, sagte Miriam. »Das habe ich immer gesagt.«
»Da ist nicht
viel dabei, Miriam. Wenn man so wunderbare Kinder hat wie meine beiden, kann
man nur ein guter Vater sein.«
»Ich habe
keine Kinder«, erklärte sie sachlich.
»Ich weiß.«
Ich hatte das Gefühl, ich sollte irgendwie mein Bedauern darüber ausdrücken,
doch ich hatte immer vermutet, dass sie und ihr Mann aus eigener Wahl kinderlos
waren.
»Könntest du
einer Dame was zu trinken anbieten?«, fragte sie nuschelnd in dem Versuch,
witzig zu sein.
»Gin,
richtig?«
»Du könntest
Barkeeper werden, weißt du das, Benedict?«, erwiderte sie und lachte – ein
schrilles, hohles Lachen, das viel zu lange andauerte.
In der Küche
mixte ich ihr einen Gin Tonic, nur ohne Gin, weil sie noch fahren musste. Als
ich zurückkam, stand sie am Kamin und bewunderte unsere Familienfotos.
»Danke dir,
Benedict. Ich habe mich immer auf die Güte von Fremden verlassen … na ja,
Fremde stimmt natürlich nicht, aber –«
»In dieser
Rolle warst du noch nie gut, Miriam«, sagte Debbie, die in der Tür stand.
»Sogar auf dem College warst du nie schwach genug für die Blanche.«
»Deborah!
Frohe Weihnachten, Liebes«, rief Miriam, wandte sich schwungvoll um und ging
auf Debbie zu, um sie zu küssen. In der Hast blieb sie mit dem Ärmel ihrer
Wolljacke an einem Foto von Penny an ihrem ersten Schultag hängen, und das Bild
fiel zu Boden, das Glas zerbrach.
»O Scheiße!
War ich das?«
»Kein Problem,
Miriam«, sagte ich und bückte mich im selben Moment wie sie, um das Bild und
die Scherben aufzulesen. In ihrer gebückten Haltung schwankte sie unsicher und
fiel dann gegen mich. Sie griff nach meinem Arm, um das Gleichgewicht
wiederzuerlangen, und vergoss einen Teil ihres Drinks über meinen Hemdärmel und
das Foto am Boden. Dann musste sie kichern, während ich ihr in einen Sessel
half. Sie hielt mir ihr Glas hin, das ich ihr wohl nachfüllen sollte, und ich
bemerkte, dass Debbie verstohlen den Kopf schüttelte.
»Also, Miriam,
was können wir für dich tun?«, fragte sie, immer noch von der Tür aus.
»Ich wollte
mit deinem Mann sprechen. Und mit dir natürlich auch, Deborah.« Sie lächelte
und hielt mir erneut ihr Glas hin. Ich nahm es ihr ab und stellte es auf den
Couchtisch.
»Tommy senior
hat mir gesagt, dass du ihn besucht hast, Benedict. Wir wissen das zu
schätzen«, sagte sie leicht nuschelnd. Trotz ihres Zustands – oder vielleicht
eben deswegen – hielt sie sich völlig gerade, den Kopf arrogant nach hinten
geneigt, doch ihre Augen waren glasig, und auf ihren Wangen hatten sich
schwache rote Flecken gebildet. Sie war eine attraktive Frau, attraktiver denn
je. Ihre Haut war dunkel und geschmeidig; sie war schlank und doch
wohlproportioniert. Debbie hatte einmal gesagt, jede Frau, die keine zwei
Kinder bekommen hatte, könne so eine Figur haben, doch es war klar, dass Miriam
sich in Form hielt. Als hätte sie meinen bewundernden Blick gespürt, drückte
sie ihr Rückgrat noch gerader durch, sodass ihre Brüste gegen ihre Jacke
pressten und an den Knöpfen zerrten.
Debbie
hüstelte. »Ben hält immer, was er verspricht, Miriam. Er hat mir von deinem
Schwiegervater erzählt. Es tat mir leid, das zu hören.«
»Müssen wir
uns
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