Boris Pasternak
vielfach gefaltetes Stück Papier darin fest, damit
sie nicht von allein aufging, und heizte in aller Ruhe den Ofen.
Als er die
Scheite hineinschob, entdeckte er darauf Zeichen. Verwundert erkannte er sie
wieder. Es waren Spuren der alten Markierung, die beiden Anfangsbuchstaben »K«
und »D«, die auf den Schnittflächen der gefällten Bäume angebracht wurden und
das Lager bezeichneten, aus dem sie kamen. Mit diesen Buchstaben waren zu
Krügers Zeiten die Stämme aus dem Warykinoer Waldrevier Kulabyschewo markiert
worden, als die Werke noch das überschüssige Heizmaterial aus dem Wald
verkauften.
Dieses
Holz in Laras Wirtschaft war ein Beweis dafür, daß sie Samdewjatow kannte und
daß er für sie sorgte, so wie er seinerzeit ihn und seine Familie mit allem
Lebensnotwendigen versehen hatte. Diese Entdeckung war wie ein Messerstich ins
Herz. Samdewjatows Hilfe war ihm schon damals unangenehm gewesen. Die
Peinlichkeit dieser Gefälligkeiten wurde jetzt durch andere Empfindungen noch
verstärkt.
Samdewjatows
Wohltaten für Lara geschahen ja wohl kaum um ihrer schönen Augen willen.
Shiwago dachte an dessen lockere Umgangsformen und an Laras weibliche
Unüberlegtheit. Ausgeschlossen, daß zwischen ihnen nichts gewesen war.
Die
trockenen Holzscheite aus Kulabyschewo brannten mit freundlichem Prasseln, und
je stärker sie Feuer fingen, desto mehr wurde Shiwagos eifersüchtige
Verblendung, die mit schwachen Vermutungen begonnen hatte, zur völligen
Gewißheit.
Aber er
war innerlich durch und durch voller Qualen, so daß ein Schmerz den anderen
verdrängte. Er brauchte seinen Verdacht nicht noch zu steigern. Seine Gedanken
sprangen ohne sein Zutun von einem Gegenstand auf den anderen. Das Grübeln über
seine Familie, das ihn mit neuer Kraft heimsuchte, verstellte für eine Zeitlang
seine eifersüchtigen Mutmaßungen.
Ihr seid
also in Moskau, meine Lieben? (Jetzt glaubte er schon, daß Frau Tunzewa ihm
versichert hatte, sie seien wohlbehalten eingetroffen.) Ihr habt also die lange
schwere Reise ohne mich gemacht? Wie seid ihr angekommen? Welcher Art ist der
Dienstauftrag des Schwiegervaters, dieser Ruf nach Moskau? Sicherlich eine
Einladung der Akademie, seine Lehrtätigkeit wieder aufzunehmen? Wie habt ihr
unser Zuhause vorgefunden? Ach, existiert es überhaupt noch, dieses Zuhause?
Wie schwer, wie schmerzlich ist mir ums Herz, Herrgott! Oh, nicht denken, nicht
denken! Wie sich die Gedanken verwirren! Was ist mit mir los, Tonja? Es muß
wohl eine Krankheit im Anzug sein. Was wird mit mir und mit euch, Tonja,
Saschenka, Alexander Alexandrowitsch? Warum hast du mich verstoßen von deinem
Angesicht, du unvergängliches Licht? Warum treibt es euch das ganze Leben lang
immer wieder weg von mir? Warum sind wir fortwährend getrennt? Aber bald werden
wir wieder beisammen sein, vereint, nicht wahr? Ich gehe zu Fuß zu euch, wenn
es keine andere Möglichkeit gibt. Wir werden uns wiedersehen. Es kommt doch
alles in Ordnung, nicht wahr?
Aber wie
kann mich die Erde noch tragen, wenn ich immer wieder vergesse, daß Tonja
gebären sollte und sicherlich geboren hat? Es ist ja nicht ihre erste
Entbindung. Wie mag sie verlaufen sein? Auf der Reise nach Moskau sind sie
durch Jurjatin gekommen. Lara war ja nicht mit ihnen bekannt, aber die
Schneiderin und Friseuse, die ihnen ganz fern stand, wußte einiges von ihnen,
während Lara in dem Brief kein Wort über sie verliert. Welch sonderbare,
teilnahmslos wirkende Unaufmerksamkeit! Das ist genauso unerklärlich wie ihr
Schweigen über ihre Beziehungen zu Samdewjatow.
Shiwago
ließ den Blick nunmehr forschend über die Wände des Schlafzimmers gleiten. Er
wußte, daß die hier stehenden und hängenden Gegenstände nicht Lara gehörten
und daß die Einrichtung der früheren unbekannten und verschwundenen Mieter in
keiner Weise von Laras Geschmack zeugen konnte.
Aber wie
dem auch sei, ihm wurde auf einmal ganz unbehaglich inmitten der von den
Wänden blickenden Männer und Frauen auf den vergrößerten Fotografien. Ein
Hauch von Feindseligkeit wehte ihn an von den häßlichen Möbeln. Er fühlte sich
hier fremd und überflüssig.
Dumm, wie
er war, hatte er oft an dieses Haus gedacht, hatte sich danach gesehnt, war in
dieses Zimmer getreten nicht wie in einen Raum, sondern wie in eine Sehnsucht
nach Lara! Diese Art zu fühlen war, von außen betrachtet, gewiß lächerlich.
Starke, praktische, schöne Männer wie Samdewjatow hatten sicherlich eine ganz
andere Art, zu leben, sich zu
Weitere Kostenlose Bücher