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Boris Pasternak

Boris Pasternak

Titel: Boris Pasternak Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr Shiwago
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Phase.
    Nach einem
Beispiel brauchen wir nicht lange zu suchen. Zwei alte Polithäftlinge sind ans
hiesige Kollegium des Revtribunals versetzt worden, zwei Arbeiter, Tiwersin und
Antipow.
    Beide
kennen mich sehr gut, der eine ist sogar der Vater meines Mannes, mein
Schwiegervater. Aber eigentlich erst seit ihrer Versetzung hierher zittere ich
um mein und Katenkas Leben. Bei den beiden muß man auf alles gefaßt sein. Der
alte Antipow kann mich nicht ausstehen. Es kommt noch so weit, daß sie eines
schönen Tages mich und sogar Pawluscha vernichten im Namen der höchsten
revolutionären Gerechtigkeit.«
    Zu einer
Fortsetzung dieses Gesprächs kam es ziemlich bald. In der Malaja Bujanowka
Nummer achtundvierzig neben dem Ambulatorium fand bei der Witwe Goregljadowa
eine nächtliche Haussuchung statt. Dabei wurde ein Waffenlager gefunden und
eine konterrevolutionäre Organisation ausgehoben. In der Stadt wurden viele
Menschen verhaftet. Haussuchungen und Verhaftungen gingen weiter. Aus diesem
Anlaß wurde gemunkelt, ein Teil der Verdächtigen sei über den Fluß gegangen. Es
wurden Überlegungen dieser Art angestellt: »Was hilft es ihnen? Fluß ist nicht
gleich Fluß. Es gibt natürlich auch Flüsse. In Blagowestschensk am Amur zum
Beispiel herrscht am einen Ufer die Sowjetmacht, am andern Ufer liegt China. Du
springst ins Wasser, schwimmst hinüber, und adieu! weg bist du. Das ist dann
ein richtiger Fluß. Das ist ganz was anderes.«
    »Die Luft
wird immer dicker«, sagte Lara. »Die Zeit, in der wir sicher waren, ist vorbei.
Man wird uns ganz sicher verhaften, dich und mich. Was wird dann aus Katenka?
Ich bin ihre Mutter. Ich muß dem Unglück zuvorkommen und mir etwas einfallen
lassen. Es muß alles vorbereitet sein, wenn es soweit ist. Der Gedanke daran
macht mich ganz verrückt.«
    »Laß uns
überlegen. Was können wir tun? Liegt es in unseren Kräften, diesen Schlag
abzuwenden? Das ist eine Überlebensfrage.«
    »Fliehen
können wir nicht. Wohin auch? Aber wir können uns zurückziehen. Zum Beispiel
nach Warykino. Ich denke an das Haus dort. Das ist ziemlich weit weg, und es
ist einsam und verlassen. Da fallen wir niemandem auf wie hier. Der Winter
steht vor der Tür. Ich würde die Mühe auf mich nehmen, dort zu überwintern. Bis
sie uns finden, haben wir ein weiteres Jahr Leben herausgeschlagen, und das
ist ein Gewinn. Samdewjatow könnte uns helfen, die Verbindung zur Stadt
aufrechtzuerhalten. Vielleicht ist er bereit, uns zu verstecken. Na, was meinst
du? Da ist jetzt freilich kein Mensch, es ist wüst und unheimlich. So war es
zumindest im März, als ich dort war. Außerdem soll es Wölfe geben. Schrecklich.
Aber die Menschen, besonders solche wie Antipow oder Tiwersin, sind jetzt
schlimmer als Wölfe.«
    »Ich weiß
nicht recht, was ich sagen soll. Du selber versuchst mich ja ständig nach
Moskau zu jagen, du redest mir zu, die Abreise nicht länger aufzuschieben. Das
ist jetzt leichter geworden. Ich habe mich auf dem Bahnhof erkundigt. Mit den
Hamsterern scheinen sie nicht mehr so streng zu sein. Nicht alle Schwarzfahrer
werden mehr aus den Zügen geholt. Man ist der ewigen Erschießungen müde
geworden, sie kommen seltener vor.
    Mich
beunruhigt, daß alle meine Briefe nach Moskau ohne Antwort geblieben sind. Ich
muß hin, muß herausfinden, was mit meinen Leuten ist. Du sagst das auch immer
wieder. Aber was soll ich dann von deinen Plänen mit Warykino halten? Willst du
etwa ohne mich in diese schreckliche Einöde ziehen?«
    »Nein,
ohne dich ist das natürlich unvorstellbar.«
    »Und dann
schickst du mich nach Moskau?«
    »Ja, das
muß sein.«
    »Hör mal,
weißt du was? Ich habe eine großartige Idee. Wir fahren nach Moskau. Du und
Katenka, ihr kommt mit.«
    »Nach
Moskau? Du bist ja verrückt. Wieso denn? Nein, ich muß hierbleiben. Ich muß
mich bereithalten. Hier wird sich Pawluschas Schicksal entscheiden. Bis dahin
muß ich warten, um notfalls zur Stelle zu sein.«
    »Dann laß
uns über Katenka nachdenken.«
    »Mich
besucht manchmal Serafima Tunzewa. Wir haben dieser Tage von ihr gesprochen.«
    »Aber ja,
ich sehe sie oft bei dir.«
    »Ich kann
mich über dich nur wundern. Wo habt ihr Männer eure Augen? Ich an deiner Stelle
würde mich bestimmt in sie verlieben. Sie ist doch reizend! Wie sie aussieht!
Groß. Schlank. Klug. Belesen. Gütig. Klares Urteil.«
    »An dem
Tag, als ich aus der Gefangenschaft hierher zurückkam, hat mich ihre Schwester
Glafira, die Schneiderin, rasiert.«
    »Ich

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