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Boris Pasternak

Boris Pasternak

Titel: Boris Pasternak Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr Shiwago
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eine
neue Möglichkeit biete, von der Gebrauch zu machen Sie versprechen. Sie müssen
es über sich bringen, ihr einen solchen falschen Schwur zu leisten. Das ist von
mir nicht in den Wind gesprochen. Ich versichere Ihnen bei meiner Ehre, Sie
jederzeit, sobald Sie den Wunsch äußern, von hier wegzuholen und dorthin zu
bringen, wohin Sie möchten. Larissa Fjodorowna muß überzeugt sein, daß Sie uns
begleiten. Versichern Sie es ihr mit aller Überzeugungskraft. So könnten Sie
etwa loslaufen, um das Pferd anzuspannen, uns auffordern, nicht auf Sie zu
warten, sondern schon immer loszufahren, während Sie noch anspannen, und uns
unterwegs einholen.«
    »Ich bin
erschüttert über die Nachricht von Pawel Strelnikows Erschießung und kann es
nicht fassen. Darum macht es mir Mühe, Ihnen zu folgen. Aber ich pflichte Ihnen
bei. Nach der Abrechnung mit Strelnikow ist entsprechend unserer heutigen Logik
das Leben von Larissa Fjodorowna und Katenka in Gefahr. Einer von uns wird mit
Sicherheit verhaftet werden, folglich würden wir so oder so getrennt. Dann ist
es wirklich besser, Sie trennen uns und bringen die beiden weg, ans Ende der
Welt. Jetzt geht ohnehin schon alles so, wie Sie wollen. Ich werde es wohl
nicht durchhalten, darum muß ich meinen Stolz und meine Selbstachtung
unterdrücken und werde gehorsam bei Ihnen angekrochen kommen, um aus Ihren
Händen sie und das Leben und die Fahrt übers Meer zu meinen Angehörigen und
meine eigene Rettung zu empfangen. Aber in alldem muß ich mich erst einmal
zurechtfinden. Ihre Nachricht hat mich ganz verstört. Das Leid drückt mich
nieder und nimmt mir die Fähigkeit, zu denken und zu urteilen. Indem ich mich
Ihnen füge, mache ich vielleicht einen verhängnisvollen, irreparablen Fehler,
der mein ganzes Leben mit Entsetzen überschatten wird. Aber in dem Nebel des
Schmerzes, der mir die Kraft raubt, ist das einzige, was ich jetzt tun kann,
Ihnen mechanisch zuzustimmen und Ihnen blindlings, willenlos zu gehorchen.
Also, um ihretwillen werde ich ihr jetzt zum Schein sagen, daß ich das Pferd
anspannen gehe und Ihnen hinterherfahre, in Wirklichkeit aber bleibe ich hier.
Eine Kleinigkeit noch. Wollen Sie wirklich jetzt bei einbrechender Nacht
losfahren? Der Weg führt durch den Wald, überall sind Wölfe, seien Sie
vorsichtig.«
    »Ich weiß.
Ich habe ein Gewehr und einen Revolver bei mir. Seien Sie unbesorgt. Übrigens,
ich habe ein wenig Sprit mitgebracht, falls Frost kommt. Die Menge reicht aus.
Ich lasse Ihnen etwas da, einverstanden?«
     
    Was habe
ich getan? Was habe ich getan? Ich habe sie hergegeben, auf sie verzichtet, sie
ihm überlassen. Ich muß hinterherlaufen, sie zurückholen. Lara! Lara!
    Sie hören
es nicht. Der Wind bläst mir entgegen. Wahrscheinlich unterhalten sie sich
laut. Sie hat ja allen Grund, fröhlich und gelassen zu sein. Sie ist ja auf die
Täuschung hereingefallen und ahnt nicht, wie sehr sie irregeführt wird.
    Wahrscheinlich
denkt sie jetzt: Alles hat sich bestens gefügt, ganz nach ihren Wünschen. Ihr
Jura, dieser Phantast und Dickkopf, hat endlich nachgegeben, dem Schöpfer sei
Dank, und fährt mit ihr in eine sichere Gegend, zu Menschen, die klüger sind
als sie, unter den Schutz von Gesetz und Ordnung. Selbst wenn er, um seinen
Kopf durchzusetzen, sich sträubt und morgen nicht mit in den Zug steigt,
schickt Viktor Ippolitowitsch ihm einen anderen Zug, und er kommt in
allernächster Zukunft nach.
    Jetzt ist
er natürlich schön im Pferdestall, spannt mit vor Hast und Erregung zitternden,
ungehorsamen Händen den Falben an und saust ihnen dann in vollem Tempo
hinterher, so daß er sie noch vor dem Wald einholt.
    Das etwa
sind sicherlich ihre Gedanken. Sie haben sich ja nicht einmal richtig
verabschiedet, er hat ihnen nur nachgewinkt und sich abgewandt, um den Schmerz
hinunterzuschlucken, der ihn würgte wie ein Stück Apfel.
    Juri
Shiwago, den Pelz über die eine Schulter geworfen, stand auf der Vortreppe. Mit
der freien Hand umklammerte er die gedrechselte Holzsäule unterm Vordach mit
solcher Kraft, als wollte er sie erwürgen. Sein ganzes Bewußtsein bündelte
sich auf einen fernen Punkt. Dort war ein kleines Stück des bergan führenden
Wegs zwischen den vereinzelten Birken zu sehen. Auf diese freie Stelle fiel
eben jetzt das Licht der untergehenden Sonne. Auf dem beleuchteten Wegstück
mußte jeden Moment aus einer flachen Senke, in die er für kurze Zeit getaucht
war, der Schlitten in Sicht kommen.
    »Leb wohl,
leb wohl«, sagte er,

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