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Boris Pasternak

Boris Pasternak

Titel: Boris Pasternak Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr Shiwago
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Anstifter in unserm Dorf. Sie fingen
an, das Dorf aufzurühren. Da seht ihr's, haben sie gesagt, wozu die Städtischen
imstande sind. Das soll eine Lehre für euch sein, eine Abschreckung. Damit ihr
kein Getreide versteckt, keine Kartoffeln vergrabt. Ihr seid ja schön dumm, ihr
redet von Räubern aus dem Wald, Räuber wollt ihr gesehen haben in dem Gehöft.
Ihr seid doch zu blöd! Hört mal ruhig noch mehr auf die Städter. Die zeigen
euch noch ganz andere Dinger, die hungern euch aus. Wenn ihr Gutes wollt, ihr
Dörfler, dann geht mit uns. Wir bringen euch schon zu Verstand. Wenn sie kommen
und wollen euch das mit Schweiß Erworbene wegholen, dann müßt ihr sagen, was
für Überschüsse, wir haben ja selber kein Körnchen mehr von unserm Roggen.
Wenn nicht anders, müßt ihr eben zur Mistgabel greifen. Wer sich aber gegen die
Dorfgemeinde stellt, soll sich in acht nehmen. So lärmten die Alten, prahlten
herum, taten sich zusammen. Charlam, der Verleumder, dem war's grade recht.
Mütze auf, und ab in die Stadt. Und dort tuschel-tuschel. Im Dorf tut sich was,
und ihr sitzt hier und seht zu? Wir brauchen ein Komitee der Dorfarmut. Wenn
ihr's mir sagt, bring ich dort die Brüder gegeneinander auf. Danach hat er sich
aus unsrer Gegend verdrückt und sich nie wieder blicken lassen.
    Alles, was
weiter passierte, kam ganz von selbst. Keiner hat daran gedreht, keiner ist
daran schuld. Sie schickten Rotarmisten aus der Stadt. Und ein Gericht. Als
ersten haben sie mich geholt. Charlam hatte mich verpfiffen. Ich war ein
Flüchtiger und hätt mich der Arbeitspflicht entzogen, ich hätt das Dorf zur
Meuterei aufgewiegelt und die Witwe umgebracht. Da haben sie mich eingesperrt.
Zum Glück kam ich darauf, ein Dielenbrett loszumachen, dann bin ich abgehauen.
In einem Erdloch hab ich mich verkrochen. Über mir hat das Dorf gebrannt, und
ich hab's nicht gesehen, über mir hat sich meine liebe Mutter in ein Eisloch
gestürzt, und ich hab's nicht gewußt. Alles ist von selbst gekommen. Die
Dörfler haben den Rotarmisten ein Haus gegeben und sie mit Wodka versorgt, da
haben die sich unheimlich vollaufen lassen. In der Nacht hat einer mit dem
Feuer nicht aufgepaßt, da ist das Haus abgebrannt, und das Feuer hat auf die
Nachbarhäuser übergegriffen. Unsere Leute, als das Feuer losging, sind ins
Freie gesprungen, aber die Rotarmisten, bei denen natürlich keiner Feuer gelegt
hat, die sind allesamt bei lebendigem Leibe verbrannt. Unsere Abgebrannten von
Weretenniki hat kein Mensch von ihren Brandstätten vertrieben. Vor lauter Angst
sind die abgehauen, falls wieder was passiert. Wieder hatten die reichen Bauern
ihnen eingeredet, jeder zehnte würde erschossen. Ich hab keinen mehr
vorgefunden, sie haben sich in alle Winde zerstreut und fristen irgendwo ihr
Dasein.«
     
    Doktor
Shiwago und Wassja kamen im Frühjahr zweiundzwanzig nach Moskau, als gerade die
NOP begann. Das Wetter war freundlich. Die Sonnenlichter, von den goldenen
Kuppeln der Erlöserkirche zurückgeworfen, fielen auf die viereckig behauenen
Pflastersteine des Platzes, in deren Ritzen Gras wuchs.
    Die
Verbote für das private Unternehmertum waren aufgehoben worden, und freier
Handel war in strengen Grenzen erlaubt. Auf den Trödelmärkten blühte der
Tauschhandel. Die winzige Größenordnung der Geschäfte förderte die Spekulation
und führte zu Übergriffen. Die Schacherei der Händler brachte nichts Neues
hervor, verhalf der verarmten Stadt nicht zu materiellen Gütern. Mit dem
sinnlosen Weiterverkauf schon zehnmal verkaufter Gegenstände wurden Vermögen
erworben.
    Die
Besitzer einiger recht bescheidener Hausbibliotheken trugen die Bücher aus
ihren Schränken an einer Stelle zusammen. Beim Stadtsowjet beantragten sie,
einen kooperativen Buchhandel eröffnen zu dürfen, und baten um eine geeignete
Räumlichkeit. Sie erhielten einen seit der Revolution leerstehenden
Schuhspeicher oder das Treibhaus einer zur gleichen Zeit geschlossenen
Gärtnerei und verkauften in den geräumigen Gewölben ihre kärglichen und
zufälligen Büchersammlungen.
    Professorengattinnen,
die in der schweren Zeit auch schon früher trotz des Verbots heimlich weiße
Brötchen gebacken und verkauft hatten, boten sie jetzt offen in einer
Fahrradwerkstatt feil, die in all den Jahren leer gestanden hatte. Sie hatten
sich umorientiert, akzeptierten die Revolution und sagten nun »das mag schon
sein« statt »ja« oder »gut«.
    In Moskau
sagte Doktor Shiwago: »Wassja, du wirst etwas lernen

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