Botschaften des Herzens: Roman (German Edition)
über ihr Lieblingsbuch, sondern weil sie Shona so herablassend behandelten. »Oh, ich habe es gelesen, vor Jahren schon. Und ich muss zugeben, dass ich es für äußerst unwahrscheinlich halte, dass Dermot – der Autor, meine ich – zu der Zeit, als er es schrieb, bereits etwas von Ödipus gehört hatte.«
»Wie können Sie denn so etwas sagen?« Jocasta tauschte Blicke mit der Frau aus, die das Stichwort »Ödipus-Komplex« ins Spiel gebracht hatte. Sie wollte ihre Erkenntnisse nicht von Laura anzweifeln lassen, die nicht nur neu in der Gruppe war, sondern auch noch Engländerin.
»Nun, ich weiß es natürlich nicht genau, aber er war erst Anfang zwanzig, als er es schrieb, hat nie eine Universität besucht und stammt aus einem intellektuellen Provinznest. Wenn Sie ihn kennen würden …« Laura merkte zu spät, was sie da enthüllt hatte. Von allen Seiten prasselten nun Fragen auf sie ein.
»Sie kennen ihn? Sie kennen ihn wirklich? Wie ist er denn so? Ist er so attraktiv, wie er als junger Mann war? Mein Gott, ich hätte mit ihm geschlafen, ganz egal, wie langweilig seine Bücher sind.« Die Kommentare stürmten auf sie ein, und Laura nutzte die Chance, sich eine Antwort zu überlegen, bis sich alle wieder beruhigt hatten.
»Ja, ich kenne ihn, ein bisschen. Er war bei einem Literaturfestival, bei dessen Organisation ich geholfen habe.« Über ihn zu sprechen machte ihre Sehnsucht nach ihm noch größer.
»Das kann gar nicht sein«, erklärte Jocasta besserwisserisch. »Er verlässt Irland nie. Das ist eine bekannte Tatsache.«
»Aber er war auf dem Festival«, beharrte Laura.
Jocasta schüttelte den Kopf. »Ich glaube, Sie müssen sich irren. Wir in dieser Gruppe kennen unsere irischen Schriftsteller und …«
»Ehrlich gesagt«, unterbrach eine der anderen Frauen sie, »stand kürzlich etwas über ihn in der Zeitung. In einem Artikel war von einem Festival die Rede. Hast du das nicht gesehen, Jocasta?«
Die Wimpern der Gastgeberin flatterten, während sie offensichtlich nach einem Grund suchte, warum sie nicht alle Sonntagszeitungen gründlich studiert hatte.
»Jocasta! Wir verlassen uns doch immer darauf, dass du uns über alles Wichtige auf dem Laufenden hältst«, meinte eine der Frauen.
»Das muss in der Woche gewesen sein, in der Rickie einen seiner Anfälle hatte«, sagte Jocasta, »da kamen wir nicht dazu, uns die Sonntagszeitungen zu kaufen. Das war ja wieder klar, dass ich seinetwegen so wichtige Neuigkeiten verpasse.«
»Ist eigentlich nichts Wichtiges«, sagte Shona. »Nur eine Klatschgeschichte. Die kannst du doch ruhig mal verpassen, oder nicht?«
»Aber das ist Literatur-Klatsch!«, widersprach Jocasta. »Das ist etwas anderes! Das ist wichtig!«
»Für das Literaturfestival war es auch wichtig«, sagte Laura und kicherte leise. »Und Dermot ist gekommen. Das war eine ziemliche Sensation in der Literaturszene. Ich glaube, er hält sich immer noch in Amerika auf und verhandelt über die Filmrechte an seinem Buch.« Sie war sich da nicht sicher, weil Eleanora sich recht vage ausgedrückt hatte.
»Also, in diesem Punkt irren Sie sich, meine Liebe. Das weiß ich ganz genau«, erklärte Jocasta, die sich jetzt wieder sicherer fühlte. »Vor einiger Zeit gab es einen längeren Bericht über ihn, wo er zitiert wurde, dass er seine Bücher niemals verfilmen lassen würde. Außerdem hat er seit Jahren nichts Neues mehr geschrieben.« Sie hielt inne. »Ich habe es bei Wikipedia gelesen.«
»Keine besonders verlässliche Quelle, wenn ich das so sagen darf«, wandte eine der anderen Frauen ein.
»Soll ich euch was sagen«, meinte Shona, der Jocasta vielleicht ein bisschen leidtat. »Ich glaube, es wird Zeit für ein schönes dickes Stück Schokoladenkuchen!«
Jocasta war nicht dankbar. Sie unterbrach die allgemeine Zustimmung mit: »Tut mir leid, in diesem Haus gibt es keine tödliche Verbindung von Zucker und Fett, obwohl wir wissen, dass Shonas Kuchen unerhört lecker sind.« Sie lächelte auf eine Weise, für die Laura sie am liebsten geschüttelt hätte. »Aber ich habe ein paar Hirsepfannkuchen mit ein bisschen Bio-Honig zubereitet.«
»Woher willst du eigentlich wissen, dass es Bio-Honig ist?«, fragte Shona, die sich auf so vielfältige Weise beleidigt fühlte. »Sagen die Bio-Imker den Bienen, sie sollen nicht zu den Blumen fliegen, an denen Pestizide kleben?«
»Ich weiß es nicht«, gab Jocasta schnippisch zurück und stand auf. »Ich produziere keinen Bio-Honig, sondern kaufe
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