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Bradbury, Ray - Halloween

Bradbury, Ray - Halloween

Titel: Bradbury, Ray - Halloween Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Halloween
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Skeletten oder Gespenstern und warteten darauf, gegessen zu werden. Von
Lebenden? Oder von Geistern, die vielleicht gegen
Morgengrauen kommen würden, einsam und hungrig? Niemand wußte es. Niemand sprach darüber.
Und jeder Junge, der neben seiner Mutter und
Schwester auf dem Friedhof saß, stellte seinen Miniatur-Beerdigungszug auf das Grab. Sie konnten die
winzige Gestalt aus Zuckerwerk in dem kleinen hölzernen Sarg vor einem kleinen Altar mit winzigen
Kerzen sehen. Und um den Sarg standen kleine Meß
diener, deren Köpfe aus Erdnüssen mit aufgemalten
Augen bestanden. Und vor dem Altar stand ein Priester, dessen Kopf eine Haselnuß und dessen Bauch
eine Walnuß war. Und auf dem Altar stand ein Foto
des Menschen im Sarg. Es hatte ihn einmal in Fleisch
und Blut gegeben, und nun gedachte man seiner.
»Das gefällt mir immer besser«, flüsterte Ralph.
» Cuevos !« sang leise eine Stimme weiter oben am
Hügel.
Vom Friedhof hörte man ein Echo des Singsangs.
An der Friedhofsmauer saßen die Männer der
Stadt. Manche hielten Gitarren, andere Flaschen in
den Händen.
»Cuevos de los Muertos …«, sang die leise Stimme.
»Cuevos de los Muertos …«, wiederholten die
Männer im Schatten neben dem Tor.
»Schädel«, übersetzte Tom. »Die Schädel der Toten.«
»Schädel, süße Zuckerschädel, süße Schädel aus
Zuckerwerk, Schädel der Toten«, sang die Stimme
und kam näher.
Und den Hügel hinab kam mit leisen Schattenschritten ein buckliger Schädelhändler.
»Nein, er hat gar keinen Buckel …« sagte Tom
halblaut.
»Er trägt einen ganzen Sack voller Schädel«, rief
Ralph.
»Süße Schädel, süße weiße Zuckerschädel«, sang
der Händler, dessen Gesicht im Schatten eines riesigen Sombreros lag. Doch es war Downgrounds
Stimme, die so melodisch sang.
Von einer langen Bambusstange über seiner
Schulter baumelten an schwarzen Fäden Dutzende
von Zuckerschädeln in Lebensgröße, und jeder trug
eine Aufschrift.
»Namen! Namen!« sang der alte Händler. »Sagt
mir eure Namen – ich habe eure Schädel!«
»Tom«, sagte Tom.
Der alte Mann zog aus dem Gewirr der Schädel
einen hervor, auf dem in großen Buchstaben TOM
stand.
Tom nahm ihn und hielt seinen Namen, seinen eigenen eßbaren, süßen Schädel in Händen.
»Ralph.«
Und sogleich bekam er einen Schädel mit der Aufschrift RALPH zugeworfen. Lachend fing er ihn auf.
Schnell und spielerisch zog die knochige Hand einen weißen Schädel nach dem anderen hervor und
warf sie durch die kühle Luft: HENRY - HANK ! FRED !
GEORGE ! HACKLES ! J . J .!
    WALLY!
Die Jungen quietschten und tanzten unter diesem
Bombardement. Sie wurden mit ihren eigenen Schädeln beworfen, auf deren weißen Stirnen in Zuckerguß ihr Name stand. Sie fingen sie auf und hätten sie
beinah fallen lassen.
Mit aufgesperrten Mündern standen sie da und
starrten auf das zuckrige Totennaschwerk, das sie in
den klebrigen Händen hielten.
Und auf dem Friedhof sangen sehr hohe männliche Sopranstimmen:
Roberto … Maria … Conchita … Tomas …
Calavera, Calavera, süße Knochen zum Naschen!
Mit Namen darauf - was für ein Fest!
Herbei, herbei, voll sind meine Taschen
Mit schneeweißen Schädeln – kauft und eßt!
Eßt eure Namen, und eßt den Rest!
Die Jungen hoben die Hände mit den süßen Schädeln.
    Beiß das T ab und das O und das M – Tom! Kau das H, schluck das A, knabber am N, ver s chluck dich am K – Hank!
Das Wasser lief ihnen im Mund zusammen. Aber …
war es vielleicht Gift, das sie in Händen hielten?
    Ihr kennt sie nicht, diese Freude, dies Glück,
Wenn jeder die Brosamen der Finsternis speist?
Es ist eine Köstlichkeit – nehmt doch ein Stück
Von dem Kopf, der euren Namen weist!
Die Jungen führten die Namen aus Zuckerguß an ihre
Lippen und wollten gerade abbeißen, als …
     
»Ole!«
    … eine Bande mexikanischer Jungen angerannt
kam, ihre Namen schrie und ihnen die Schädel aus
den Händen schlug.
»Tomas!«
    Und Tom sah Tomas mit seinem Schädel davonlaufen.
»Hey«, sagte Tom, »der sah irgendwie aus wie ich!«
»Tatsächlich?« sagte der Schädelhändler.
»Enrique!« rief ein kleiner Indiojunge und
schnappte sich Henry-Hanks Schädel.
Enrique rannte den Hügel hinab.
»Er sah aus wie ich!« sagte Henry-Hank.
»Tatsächlich«, sagte Downground. »Schnell,
Jungs, ihnen nach! Findet raus, was sie vorhaben!
Laßt sie nicht mit euren Schädeln entkommen! Holt
sie euch zurück!«
Die Jungen zuckten zusammen.
Denn im selben Augenblick gab es unten, in der

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